Rückblick auf die Rede vom Dr. Gabriele Inaara Begum Aga Kahn, heute Gabriele Prinzessin zu Leiningen, vom 10. November 2007 in Berlin zur Eröffnung der Stipendienvergabe für den »Master of Mediation« an der FernUniversität in Hagen.

 

Frieden und Toleranz sind Ideale, in denen sich moderne Gesellschaften, allen Unterschieden zu Trotz, einig sind. Doch so nah jedem von uns diese Werte stehen, so fern von ihnen verläuft oft der Alltag, den wir erleben.

Diese Erfahrung machen Sie wohl in Ihrem beruflichen und privaten Umfeld, und diese Erfahrung prägt auch mein Leben, besonders eindrücklich seit meiner Beratertätigkeit für die UNESCO – und nun, als Präsidentin der Princess Inaara Foundation, die sich weltweit für bedürftige Frauen und Kinder und den Kampf gegen AIDS einsetzt.

 

 

Hierbei zeigt mir meine tägliche Anschauung, wie schwer es ist, soziale Missstände anzugehen und ein friedliches, gleichberechtigtes Miteinander zu schaffen.

Freilich: Solange es Menschen gibt, wird es Konflikte geben. Fast alle Ressourcen sind endlich, Werte und Interessen lassen sich nicht immer vereinbaren. Deshalb scheint mir: Worauf es ankommt ist, wie man einander begegnet, wie man gemeinsam miteinander umgeht, auch wenn man sich nicht einig ist. Besonders wichtig – da werden Sie mir zustimmen – ist dabei ein Stil, den ich als ein respektvolles Miteinander bezeichnen möchte.

Auch und gerade im Konflikt gewisse Regeln zu beachten, dabei nicht nur den eigenen Standpunkt, sondern auch andere Perspektiven zu sehen und die gemeinsame Zukunft in den Blick zu nehmen: das ist eine elementare Voraussetzung für die Lösung und die Vermeidung von Streitigkeiten.

 

I.

Eine Tradition, die diesen Stil des respektvollen Miteinanders in vielen Kulturen seit alters her gepflegt hat, ist die Mediation.

Ihr Prinzip ist, dass sich die Streitbeteiligten eigenverantwortlich nach gewissen Regeln eine Einigung suchen. Der Mediator und die Mediatorin unterstützen sie hierin. Eine Entscheidung oder Lösung bieten sie jedoch nicht an; sie beschränken sich auf gute Dienste. Sie bemühen sich vor allem, dass im Mediationsverfahren die Interessen der Beteiligten deutlich werden, zum Beispiel in einer Familienmediation: die Interessen beider Eheleute in Gestalt  einer von Liebe getragenen Sorge um das Wohlergehen der Kinder.

Gemeinsame Interessen können den Ausgangspunkt für eine einvernehmliche Lösung bilden. Sie können auch helfen, Positionen zu überwinden, die manchmal juristisch oder politisch, aber nicht immer menschlich folgerichtig sind.

 

II.

Mediation ist bereits in vielen Bereichen heimisch geworden.

Sie ist überall dort sinnvoll, wo es besser ist, wenn die Betroffenen selbst als Kenner ihres Problems einigen und konkrete, angepasste Regelungen für die Zukunft finden.

Mediation ist aber mehr als ein Verfahren für Konflikte. Mediation ist inzwischen ein Begriff für eine Einstellung geworden. Wer „Mediation“ verstanden hat, geht anders mit seinen Mitmenschen und den Konflikten des Alltags um.

Deshalb zählt für mich zur Mediation nicht nur das professionelle Verfahren, an dem Mediatoren mitwirken, sondern genauso die Arbeit eines kleinen Konfliktlotsen in der Grundschule oder auch nur ein gewisser Denkstil: Der Versuch, sich in andere hineinzuversetzen, sachlich zu bleiben und auch bei Gegnern schätzenswerte Seiten wahrzunehmen, um nach Lösungen im Interesse aller zu suchen.

Ich denke, wenn diese Einstellung mehr Verbreitung fände, wäre dies ein großer Vorzug für unsere Zivilisation. Aus diesem Grund habe ich gerne zugesagt, als mich Gräfin Schlieffen fragte, ob ich die heutige Veranstaltung unterstützen wollte. Es ist wichtig, dass immer mehr Menschen von der Möglichkeit erfahren, Konflikte mit Hilfe der Mediation zu lösen oder zu vermeiden. Mediation hilft nicht in jedem Fall; aber es gibt sicherlich viele Anwendungsfelder, die es noch zu entdecken gilt.