Der ausgebildete Intensivpfleger und Pflegemediator Karl Preißler erzählt im Interview über die Entlassungsberatung und Pflegemediation am Landeskrankenhaus in Hartberg (Steiermark) –  Angehörigenbefragung bescheinigt Erfolg – Vorbild für Deutschland?

Die Entlassung eines Pflegebedürftigen aus dem Krankenhaus stellt für die Angehörigen oft eine große Belastung dar. Die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Judith Jaindl entwickelte im Jahr 2007 am LKH Hartberg in Österreich das erste Konzept der Pflege- und Entlassungsberatung in Kombination mit Pflegemediation. Das Projekt erlangte Vorbildcharakter: Mittlerweile bildete das LKH Hartberg 22 Pflegekräfte in der berufsbegleitenden Fortbildung „Pflegemediation“ auch für andere Krankenhäuser aus.

Das Projekt, das auch beispielhaft für Deutschland sein könnte, wurde mit dem IRIS-Award 2018 ausgezeichnet. Interviewpartner und Pflegemediator Karl Preißler hat 2017 die Leitung des Entlassungsmanagements übernommen. Der ausgebildete Intensivpfleger und akademischer Experte für Gesundheitsberatung erzählt im Interview über die Pflegemediation am LKH Hartberg.

Foto: Karl Preißler und Judith Jaindl mit Drin Angelika Konrad (IRIS-Vorstand) bei der Preisverleihung in Graz (©Christine Kipper)

Was läuft ab, wenn vor der Krankenhausentlassung die häusliche Pflege nicht gesichert ist?
Karl Preißler: Innerhalb nur weniger Tage ändert sich das Leben für den Pflegebedürftigen und für sein gesamtes Umfeld drastisch – dies führt oft zu großen Ängsten und Konflikten in der Familie, da die Aufgabe, den Angehörigen zu versorgen, meist nur einem Familienmitglied zugedacht oder ihm gar aufgezwungen wird und dies in den meisten Fällen die Schwiegertochter oder die Tochter, also eine Frau, ist. Aufgrund dieser Belastungen kommen alte Familienkonflikte wieder an die Oberfläche und neue entstehen.

Welche Vorteile ergeben sich konkret für die Familien der Pflegebedürftigen?
Karl Preißler: Die Pflegemediation unterstützt Patienten und Angehörige dabei, besser mit der Pflegesituation zu Hause fertig zu werden. Gerade hier kann Pflegemediation helfen. Dazu gehört, dass gemeinsam mit den Patientinnen und deren Angehörigen zielgerichtet Lösungsvarianten, also individuelle Betreuungskonzepte, erarbeitet werden.

Angehörigenbefragung bescheinigt Erfolg

Findet regelmäßig eine kritische Betrachtung der Pflegemediation statt?
Karl Preißler: Es wurde im Winter eine Angehörigenbefragung betreffend der Zufriedenheit mit der Implementierung einer Pflegemediation bzw. Pflege- und Entlassungsberatung durchgeführt. Von 200 Fragebögen wurden 120 retourniert. Ein Ergebnis zur Angehörigenbefragung kann hier kurz dargestellt werden:

  • Die Angehörigen, die pflegen, sind mehr als 70% über 50 Jahre alt.
  • Den größten Anteil der pflegenden Angehörigen hat die Altersgruppe der zwischen 51 bis 60Jährigen.
  • 80% der pflegenden Angehörigen sind weiblich.
  • Am häufigsten werden die eigenen Eltern betreut, gefolgt von Ehemann und Schwiegermutter.
  • Mehr als 90% der befragten Angehörigen geben an, dass die Pflege- und Entlassungsberatung „sehr hilfreich“ war, rund 9% bewerten diese als „hilfreich“.
  • Mehr als zwei Drittel der Angehörigen geben an, dass sie auch nach der Entlassung ihrer Angehörigen aus dem Krankenhaus noch Kontakt zur Pflegemediation gehabt haben. Die Gründe dafür waren die weitere Beratung in Pflegeangelegenheiten (46%), gefolgt von seelischer Unterstützung (24%) und um sich zu vergewissern, dass alles richtig gemacht wurde (19%).

Werden die Pflegevereinbarungen schriftlich fixiert?
Karl Preißler: Nach erfolgter Pflegemediation gibt es eine Mediationsvereinbarung, die alle Familienmitglieder schriftlich bekommen und die weitere Versorgung regelt. Die Familie meldet sich nach einem vereinbarten Zeitpunkt bei der Pflegemediation zurück.

Was hat sich für die Klinik seit der Einführung der Pflegemediation verbessert?
Karl Preißler: Die Pflegemediation brachte Vorteile für die Ärzteschaft und das Pflegepersonal, denn nun haben die Patienten und Angehörigen eine zentrale Anlaufstelle. So kann der festgesetzte Entlassungstag eingehalten und die Versorgung für zuhause für jeden Patienten passend geplant werden. Dadurch ergeben sich eine Verweildauerverkürzung, die Verringerung des Drehtüreffektes und somit auch eine Möglichkeit, Kosten einzusparen.

Wer beteiligt sich an der berufsbegleitenden Fortbildung „Pflegemediation“, die Sie am LKH Hartberg anbieten?
Karl Preißler: Es fanden zwei Weiterbildungslehrgänge für diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal statt. Es wurden bisher 22 Kräfte zu Pflegemediatoren ausgebildet.

Wer übernimmt die Kosten der Ausbildung?
Karl Preißler: In den meisten Fällen erfolgte eine Kostenteilung zwischen den Teilnehmenden und dem jeweiligen Dienstgeber.

Könnte die Pflegemediation in Österreich vorbildhaft für Deutschland sein?
Karl Preißler: Grundsätzlich kann Pflegemediation in jedem Gesundheitssystem angewandt werden. Pflegemediation ist eine Möglichkeit – eine sehr gute noch dazu – das Entlassungsmanagement in einem Krankenhaus zu gestalten. Derzeit sind in zehn „KAGes Spitälern“ und in einem Krankenhaus in Wien ausgebildete Pflegemediatoren tätig.

Vielen Dank! Das Gespräch führte Irene Seidel.

Weitere Infos: Pflegemediation und Ausbildung in Österreich