Die Pilotprojekte in München und Nürnberg zur Mediationskostenhilfe folgen dem Vorbild der Prozesskostenhilfe. „Ziel ist es, bedürftige Personen zu ermuntern, ihre Konflikte eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu lösen“, erklärt Dr. Andrea Zechmann, Leiterin des Fachreferats „Kostenhilfe“ der Stiftung Mediation. Das heißt vor allem, Mediationen für bedürftige Menschen zu finanzieren, die sich eigentlich keine kooperative Konfliktlösung leisten könnten.
Wie ist der aktuelle Stand des Projekts?
Start war 2018, mittlerweile ist das Verfahren erarbeitet und auch die Finanzierung gesichert. Das Nürnberger Pilotprojekt wird beispielsweise über betterplace.org gefördert, die größte Spendenplattform Deutschlands für soziale Projekte. Das Pilotprojekt in München, das Sabine Henschen (Mediatorin und Betriebswirtin) leitet, wird durch die Sparda Bank (Gewinn-Sparverein) finanziert. Aktuell geht es darum, den Personenkreis zu erreichen, der von der Mediationskostenhilfe profitieren soll. Was Mediation tatsächlich bedeutet, ist vielen Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern allzu wenig bekannt. Nach der Evaluation, für die sich Prof. Dr. Reinhard Greger bereit erklärte, soll am Ende ein Gesetzesvorschlag zur Mediationskostenhilfe stehen.
Über welche Wege erreicht die Mediationskostenhilfe die Menschen?
Als Projektleiterin in Nürnberg ist es für die Psychologin und Mediatorin von Vorteil, dass sie in ihrer Doktorarbeit die psychischen Leiden durch Arbeitslosigkeit untersuchte, und damit schon Kontakte zu sozialen Einrichtungen, wie der Diakonie, aufbauen konnte. „Wichtige Kontaktstellen sind zum Beispiel die Rechtsanwaltskammer Nürnberg oder auch der Pflegestützpunkt in Nürnberg. Gerade einkommensschwache Familien fühlen sich oft bei der Pflege der Eltern überfordert, vor allem bei Demenzkranken. Es kommt häufig zu Streitigkeiten und Konflikten“, erläutert Andrea Zechmann, die ihre Mediationsausbildung an der Fernuniversität Hagen absolvierte.
Die Mediatorin steht mit vielen Einrichtungen im Austausch. Für sie ist nun der nächste wichtige Schritt, möglichst viele Anlaufstellen und Berater, die Sozialhilfeempfänger oder Arbeitslose betreuen, für das Pilotprojekt und die Idee der kostenfreien Mediation zu gewinnen. Nur wer überzeugt ist, kann auch Überzeugungsarbeit bei den Ratsuchenden leisten. „Es gibt viele Vorbehalte und Ängste gegenüber der Mediation. Die gilt es abzubauen. Den meisten ist nicht klar, was Mediation ist, denn selbst wenn keine Einigung erreicht wird, bleibt der Weg zum Gericht ja immer noch offen. Das wissen viele nicht.“ Diese Erfahrungen macht Sabine Henschen auch in der bayerischen Landeshauptstadt. Die beiden Pilotprojekte München und Nürnberg stehen in einem engen Austausch.
Wie sehen das Vorgehen und die Antragstellung aus?
Interessieren sich Ratsuchende, die einen Streit aus der Welt schaffen möchten, für die Mediation, bekommen sie auf Wunsch ehrenamtliche Konfliktlotsen zur Seite gestellt. Diese helfen dabei, den Antrag auf Mediationskostenhilfe bei der Stiftung Mediation zu stellen. Wichtig sind die Bescheinigungen über Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe. Der Kostenanteil am Mediationsverfahren sollte die 500-Euro-Grenze möglichst nicht überschreiten, was bei den klassischen Fällen, wie Miet- oder Nachbarschaftsstreitigkeiten, nur selten der Fall sein dürfte. Trennungs- und Scheidungskonflikte, die sich erfahrungsgemäß über Monate hinziehen, sind deswegen von der Förderung ausgeschlossen. „Uns ist es wichtig, mit dem vorhandenen Budget möglichst viele Menschen unterstützen zu können und nicht für zwei Scheidungsfälle das ganze Geld ausgeben zu müssen. Das können wir in den Pilotprojekten noch nicht leisten, wollen dies aber, sobald das Projekt nachhaltig implementiert ist, anbieten.“
Gibt die Stiftung grünes Licht und sind beide Konfliktparteien zu einer Mediation bereit, wird eine passende Mediatorin oder ein Mediator ausgesucht. Ist dies erledigt, dann zieht sich der Konfliktlotse zurück und kommt erst wieder ins Spiel, wenn die Mediation stattgefunden hat, um die Mediationskosten bei der Stiftung einzureichen.
Mediationskostenhilfe gleicht soziale Schieflage aus
Soziale Schieflagen aufzubrechen, ist ihr ein wichtiges Anliegen und das nicht nur bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für die Deutsche Stiftung Mediation, sondern auch im Beruf. Andrea Zechmann arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Lehrstuhl für Psychologie, insbes. Wirtschafts- und Sozialpsychologie). Einer ihrer Forschungsschwerpunkte sind die „Psychischen Auswirkungen wahrgenommener Ungerechtigkeit“.
„Das Pilotprojekt soll zeigen, wie wichtig es ist, eine Alternative zur Prozesskostenhilfe anzubieten. Die Mediationskostenhilfe gleicht eine soziale Schieflage aus und gibt bedürftigen Menschen die Chance auf ihre Selbstbestimmung in der Konfliktlösung. Wie in anderen Ländern sollte es zukünftig auch in Deutschland möglich sein, die Mediation in wirklich alle Bevölkerungsschichten zu tragen.“
Sind zehn Pilotfälle abgeschlossen, wird Prof. Dr. Reinhard Greger eine Evaluation durchführen. Danach ist ein „Rollout“ in verschiedene deutsche Großstädte geplant. All diese Erfahrungen sollen dazu genutzt werden, die gesetzliche Implementierung der Mediationskostenhilfe hierzulande voranzutreiben.
Weitere Informationen: Fachreferat „Kostenhilfe“ der Deutschen Stiftung Mediation mit Downloads von Merkblättern unter „Mediationskostenhilfe München und Nürnberg“
0 Kommentare