Mit einer eindringlichen Warnung vor den zerstörerischen Folgen von Hass in sozialen Netzwerken und mit einem Plädoyer für politischen „Streit nach Regeln“ hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die parlamentarische Konferenz „Strategien gegen Hatespeech“ in Berlin eröffnet. Die Folgen für die politische Streitkultur und das gesellschaftliche Klima seien fatal. Veranstalter war die „No Hate Parliamentary Alliance“ der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.
„Wenn uns an der Demokratie gelegen ist, muss der politische Wettstreit vor Gewalt geschützt werden.“ Es brauche zudem das Vertrauen in den Rechtsstaat, der gegen menschenfeindlichen Hass und Hetze als Nährboden von Gewalt konsequent vorgehe, sagte Schäuble. Mit dem Internet und den sozialen Medien und deren potenziell unbegrenzter Zahl an Zuschauern und Zuhörern hätten Verunglimpfung, Lüge und Denunziation einen entgrenzten Resonanzraum erhalten. Eine Steigerung habe die Verbreitung von Hass und Verrohung der Umgangsformen durch Video-Präsentationen erfahren.
Wir brauchen eine neue Streitkultur
„Wir brauchen eine neue Streitkultur“, sagte der Bundestagspräsident. Aus der Nähe betrachtet, schwänden Gegensätze und Feindschaften. Dadurch lasse sich der gesellschaftliche Zusammenhalt wieder stärken. Dabei gehe es nicht darum, die Auseinandersetzung abzuschaffen. „Als Parlamentarier haben wir den politischen Streit zu führen. Streit gehört zur parlamentarischen Demokratie. Streit müssen wir aushalten. Aber es ist ein Streit mit Regeln“, so Schäuble. Aus der parlamentarischen Streitkultur erwachse eine besondere Verantwortung.
Zur Konferenz hatte die Bundestagsabgeordnete Gabriela Heinrich, die bis 2019 Berichterstatterin für Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz der Parlamentarischen Konferenz des Europarates war, eingeladen. Drei Themen hatten sich die Veranstalter vorgenommen, um das Phänomen des Hasses im Internet und um wissenschaftlich fundierte Strategien zu diskutieren:
Politisches Framing: Um die Macht, die Worte im Kopf des Einzelnen entfalten, indem es gelernte Kontexte oder Interpretationsrahmen, sogenannte „frames“, mobilisiert, die es dem Adressaten überhaupt erst erlauben, das Gesagte zu verstehen, ging es im ersten Teil der Tagung. Die Sprachwissenschaftlerin Elizabeth Wehling von der University of California in Berkeley (USA) erläuterte das Konzept des „politischen Framing“. Es beschäftigt sich damit, wie Inhalte präsentiert und von der Öffentlichkeit verstanden werden.
Konstruktiver Journalismus: „Konstruktiver Journalismus“ entspricht dem Konzept der konstruktiven Kritik, nicht nur über Probleme zu berichten, sondern auch Lösungswege zu beschreiben. Damit wird versucht, einem den Hass begünstigenden Sprachgebrauch zu begegnen.
Counterspeech: Mit der Technik der „Counterspeech“, mit der „Hatespeech“ durch Sprache und Narrative bekämpft wird, beschäftigten sich die Wissenschaftler und Politiker aus dem In- und Ausland, aus Europa und Amerika, zum Abschluss der Tagung. Zum Thema trugen Thomas Laschyk, Mitgründer von „Volksverpetzer“, Mina Dennert, Gründerin von #jagärhär, und Maryvonne Blondin aus Frankreich, Mitglied der No Hate Parliamentary Alliance, bei.
Quelle: Deutscher Bundestag Online-Dienste, Parlamentsfernsehen vom 15.10.2019.
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