„Jahrbuch Mediation online“ ist den Spuren der Schlagzeilen des Jahres 2019 gefolgt, um eine Momentaufnahme von Konfliktfällen und Lösungsansätzen aufzunehmen. Hoffnung geben Pilotprojekte, wie die neuen Anlaufstellen zur Mediationskostenhilfe in Bayern. Hier kurzweilige „News“ in Drei-Minuten-Lesetaktung rund um das Jahr 2019 (Teil 2):

Neue Universalschlichtungsstelle geplant
Januar 2019 – Die Bundesregierung setzt sich für außergerichtliche Streitbeilegungen ein. „Das im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) geregelte Streitbeilegungsverfahren vor diesen Schlichtungsstellen stellt ein niedrigschwelliges und für Verbraucherinnen und Verbraucher kostengünstiges Verfahren dar“, formuliert die Bundesregierung (Drucksache 19/6664) auf eine Kleine Anfrage. Bei den VSBG-anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen sind 2016 und 2017 insgesamt 130.232 Anträge auf Streitbeilegungsverfahren eingegangen. 50.021 Fälle endeten mit einem Schlichtungsvorschlag. Die staatliche Förderung der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle am Zentrum für Schlichtung e.V. in Kehl läuft am 31.12.2019 aus. Damit die Aufgabe der Universalschlichtung durch eine bundeseinheitliche Stelle weiter wahrgenommen werden kann, erarbeitete das BMJV einen Gesetzentwurf gemäß der Vorgabe des Koalitionsvertrages. Quelle: Deutscher Bundestag Drucksache 19/6664, 9. Januar 2019, Newsletter „heute im Bundestag“.

_________________________ Buchtipp „Wo die Mediation lebt“!

Dass Mediation hilft, Konflikte beizulegen und zu vermeiden, ist bekannt. Wie sieht aber die Praxis aus? Wo passiert Mediation wirklich? Auf diese Frage – „Wo die Mediation lebt“ – gibt das aktuelle Jahrbuch Mediation aufschlussreiche Antwort. Packende Fälle auf 324 Seiten zeigen: Mediation lebt tatsächlich, in bunter Vielfalt und mitten im Leben! Denn Mediation ist hier und heute 2019/20 weniger die Anwendung von Schulwissen als das überzeugte Verhalten von Menschen, die selbstverantwortlich ihre Konflikte beilegen.
Dies zeigen die 15 beschriebenen Fälle, die zusätzlich von Expertinnen und Experten kommentiert werden. Namhafte Persönlichkeiten, wie Prof. Dr. Katharina von Schlieffen, Fernuniversität Hagen, oder Dr. Sascha Weigel, Unternehmensberater und Moderator eines Konflikt-Podcasts, begleiteten das Buchprojekt.

Der besondere Buchtipp für Mediationsinteressierte: Jahrbuch Mediation 2019/20: „Wo die Mediation lebt“, Neuerscheinung des Hagener Wissenschaftsverlags, 324 Seiten, 28 Euro, ISBN 978-3-7321-0388-1, und auch bei Amazon erhältlich!

Der Bogen spannt sich von der Mediation zwischen Menschen mit Handicap („Mein Stuhl ist weg!“) bis zum Versöhnungsritual im Strafvollzug („Hühnersuppe im Himmel“), von der Telefonmediation zwischen einem Hotelier und säumigem Verein bis hin zur Online-Schlichtung, die zwischen einer enttäuschten Seminarteilnehmerin und einem Internetanbieter vermittelte. Exotik verspricht der Beitrag „Ho’oponopono: Auf Hawaiianisch Frieden machen“ – sehr lesenswert!
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Bürgerbegehren Hohenbrunn: Runder Tisch für Supermarktprojekt
Im Februar 2019 haben über 1.100 Hohenbrunner mit ihrer Unterschrift kundgetan, dass sie mit den Plänen für den Supermarkt an der Putzbrunner Straße nicht einverstanden sind. Statt eines großen Parkplatzes solle eine Tiefgarage gebaut werden, so lautet die wesentliche Forderung des Bürgerbegehrens. Auch ein Teil der Kommunalpolitiker schließt sich mittlerweile dieser Auffassung an und will nun, dass der Supermarkt kleiner, mit Tiefgarage und einem zusätzlichen Stockwerk ausgestattet werden soll. Bisher würde der Supermarkt rund 1.400 qm an Verkaufsfläche besitzen. Bürgerforum und Freie Wähler möchten eine Reduzierung auf nur 900 qm. In dem zusätzlichen Stockwerk könnten günstige Wohnungen entstehen. Auch die Einrichtung einer Seniorenwohnanlage wäre denkbar.
Doch was sagen die Investoren? Das Bürgerforum beantragt nun die Einberufung eines Runden Tisches, an dem Investoren, Gemeindevertreter und die Initiatoren des Bürgerbegehrens mit einem Mediator Platz nehmen sollen, um die neuen Ideen zu diskutieren.
Aus Sicht des Hohenbrunner Bürgermeisters wäre aber auch ein Bürgerentscheid bezüglich des Supermarktneubaus eine realistische Alternative. Quelle: Süddeutsche Zeitung, 26.02.19.
Kommentar: Bürgerbegehren versus Kommunalpolitik versus Investoren, ein Runder Tisch mit Mediator kann trotz widerstrebender Interessen den Weg für Neues bereiten.

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Pilotprojekte zur Mediationskostenhilfe für Bedürftige in München und Nürnberg
Die Pilotprojekte in München und Nürnberg zur Mediationskostenhilfe folgen dem Vorbild der Prozesskostenhilfe. „Ziel ist es, bedürftige Personen zu ermuntern, ihre Konflikte eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu lösen“, erklärt Dr. Andrea Zechmann, Leiterin des Fachreferats „Kostenhilfe“ der Stiftung Mediation. Das heißt vor allem, Mediationen für bedürftige Menschen zu finanzieren, die sich eigentlich keine kooperative Konfliktlösung leisten könnten.
Wie ist der Stand des Projekts? Start war 2018, mittlerweile ist das Verfahren erarbeitet und auch die Finanzierung gesichert. Aktuell geht es darum, den Personenkreis zu erreichen, der von der Mediationskostenhilfe profitieren soll. Was Mediation tatsächlich bedeutet, ist vielen Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern oft wenig bekannt. Über welche Wege erreicht die Mediationskostenhilfe die Menschen? „Wichtige Kontaktstellen sind zum Beispiel die Rechtsanwaltskammer Nürnberg oder auch der Pflegestützpunkt in Nürnberg. Gerade einkommensschwache Familien fühlen sich oft bei der Pflege der Eltern überfordert, vor allem bei Demenzkranken. Es kommt häufig zu Streitigkeiten und Konflikten“, erläutert Andrea Zechmann. Für die Mediatorin ist der nächste wichtige Schritt, möglichst viele Anlaufstellen und Berater, die Sozialhilfeempfänger oder Arbeitslose betreuen, für das Pilotprojekt und die Idee der kostenfreien Mediation zu gewinnen. Nur wer überzeugt ist, kann auch Überzeugungsarbeit bei den Ratsuchenden leisten.
Sind zehn Pilotfälle abgeschlossen, wird Prof. Dr. Reinhard Greger eine Evaluation durchführen. Danach ist ein „Rollout“ in verschiedene deutsche Großstädte geplant. All diese Erfahrungen sollen dazu genutzt werden, die gesetzliche Implementierung der Mediationskostenhilfe hierzulande voranzutreiben. Quelle: Jahrbuch Mediation Online, 29.07.19.
Kommentar: Zukunftsprojekt der Mediation, kostenfrei für finanziell Benachteiligte.

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Mediation zu Fernwärme in Böblingen liefert Ergebnisse
Die Entwicklung der Fernwärmepreise hatte in Böblingen über Jahre heftige Diskussionen ausgelöst, zwischen der Stadtverwaltung, den Stadtwerken, dem Gemeinderat und der Interessengemeinschaft Fernwärme Böblingen. Beiträge in den Sozialen Medien titelten bereits 2016 „Böblingen im Fernwärmestreit“.
2017 eskalierte der Streit zwischen den Stadtwerken und der Interessengemeinschaft. Auf Vorschlag des Bürgermeisters einigten sich die Konfliktparteien schließlich auf eine Mediation, für die der Gemeinderat Finanzmittel von 50.000 Euro bewilligte.
In einer gemeinsamen Erklärung des Gemeinderats im April 2019 werden die Mediationsgespräche als verständnisvoll und offen gelobt. Die Beteiligten sind optimistisch, bis zum Jahresende die Ergebnisse der Mediation der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Quelle: YouTube, 02.05.16; Kreiszeitung Böblinger Bote, 11.04.19 und 25.07.19.
Kommentar: Die bewilligten Finanzmittel dokumentieren die Wertschätzung von Mediation.

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Reisholzer Hafen Düsseldorf: Sondierungsgespräche zur Mediation sind angelaufen
Die Pläne für den Reisholzer Hafen in Düsseldorf sehen vor, dass das Areal zu einem modernen Binnenhafen mit Containerterminal ausgebaut werden soll. Interesse an dem Ausbau hat vor allem die Düsseldorfer Wirtschaft. Ansässige Unternehmen, darunter die global agierenden Konzerne BASF oder Henkel, begrüßen die Ausbaupläne, um bei zukünftigen Kapazitätsproblemen im Düsseldorfer Haupthafen auf Reisholz ausweichen zu können. Dagegen richten sich schon seit Jahren heftige Proteste seitens der Bürgerinitiative „Hafenalarm“, die weder einen großen noch einen kleinen Containerterminal hinnehmen will. Der geplante Ausbau des Reisholzer Hafens bedeute, so die Bürgerinitiative, einen Container-Betrieb an allen Wochentagen rund um die Uhr. Bei maximaler Auslastung seien dies 1.200 Lkws pro Tag.
Da die Stadtverwaltung eine konstruktive Auseinandersetzung nicht mehr für möglich hält, regt sie ein Mediationsverfahren an. Das Verfahren wird in Abschnitte gegliedert: Die Sondierungsphase startete im Juli. Der Mediator führt mit den Beteiligten, dazu zählen die Bürgerinitiative „Hafenalarm“, die Hafenentwicklungsgesellschaft sowie Politik und Verwaltung, eine Reihe von Einzelgesprächen. Ende des Jahres soll der Mediator dann eine Einschätzung darüber abgeben, ob eine Mediation rund um den Reisholzer Hafen sinnvoll ist oder nicht.
Bewertet der Mediator den Weg als erfolgversprechend, soll das Mediationsverfahren EU-weit ausgeschrieben werden. Sieht der Mediator nur geringe Chancen für eine konstruktive Streitbeilegung, wird für das Hafenareal ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet. „Eine Mediation ist die Chance, dass man doch auf einen vernünftigen Weg kommt“, gab die Leiterin des Stadtplanungsamtes Düsseldorf gegenüber der WZ zu bedenken. Quelle: Westdeutsche Zeitung, 02.07.19; Web-Mitteilung der Bürgerinitiative „Hafenalarm“ 15.07.19.
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„Mediation in den Schlagzeilen“ – Teil 3 wird zum Jahreswechsel erscheinen!

Der Hagener Wissenschaftsverlag und „Jahrbuch Mediation“ wünschen erholsame und besinnliche Festtage!