Die Recherchen zu „Mediation in den Schlagzeilen“ zeigen, dass der Ruf nach einer Mediation oder alternativen Konfliktlösung in der Öffentlichkeit manchmal allzu voreilig erfolgt: Am Anfang steht der laute Ruf und am Ende verläuft die alternative Streitbeilegung im Sand. Das stellt im Kern eine durchaus praxisnahe Erfahrung dar. Denn den Anfragen bei den Mediatorinnen und Mediatoren stehen am Ende nur wenige tatsächliche Mediationsverfahren gegenüber.
Außerdem fällt auf, dass die Schlagzeilen oft beunruhigend sind: im Norden mit dem Beispiel eines Jugendfußballspiels, bei dem ein 13Jähriger auf dem Spielfeld krankenhausreif geprügelt wird, und im Süden die Konfliktherde rund um die Starnberger Bürgermeisterin, die am Stadtrat „vorbeiregiert“ – Einzelfälle aus Sport und Politik in verschiedensten Szenarien und mit unbestimmtem Ausgang. Hier „Schlagzeilen“ in Drei-Minuten-Lesetaktung im Rückblick auf das Jahr 2019 (Teil 3):

Starnberg: Mediation mit Bahn unter schwierigen Voraussetzungen
Ihre Kritik wegen mangelnder Informationen zum Sachstand der Mediation zwischen der Stadt Starnberg und der Deutschen Bahn haben die Starnberger Stadträte bereits im März 2019 artikuliert. Im Mittelpunkt des Streits steht ein 1987 mit der Bahn geschlossener Vertrag. Darin geht es um die Rückübereignung nicht benötigter Bahnflächen und damit auch um das wichtige Thema der Seeanbindung, also die mögliche Verlegung der Ufergleise.
Seit 2018 läuft die Mediation, an der Vertreter der Bahn und des Stadtrats, Juristen und Mediatoren teilnehmen. Sie wird im Juli nach 15 Sitzungen schließlich für gescheitert erklärt. Wie die Gleise zukünftig am Starnberger See verlaufen sollen, und der alte Bahnhof barrierefrei zugänglich wird, darüber will der Stadtrat mit der Deutschen Bahn trotzdem weiterhin im Gespräch bleiben, auch um ein Gerichtsverfahren zu verhindern. Die Bahn-Vertreter haben bereits ihre weitere Gesprächsbereitschaft zugesagt.
Die Mediationsgespräche sind unter denkbar schlechten Voraussetzungen verlaufen, da die Starnberger Bürgermeisterin sich während des Mediationsverfahrens wegen ihrer Amtsführung einem Disziplinarverfahren unterziehen musste. Mit dem Urteil das Verwaltungsgerichts München im Juli wurden die Dienstbezüge der Bürgermeisterin für zwölf Monate um zehn Prozent gekürzt. Die Landesanwaltschaft Bayern hatte als Klägerin eine Minderung der Dienstbezüge über vier Jahre gefordert.
Die Disziplinarkammer am Münchner Verwaltungsgericht sieht es als erwiesen an, dass die Bürgermeisterin ihre Dienstpflichten verletzt habe. So sei sie Beschlüssen des Stadtrats teilweise nicht hinreichend nachgekommen, ein Beispiel ist die verzögerte Beauftragung eines Rechtsgutachtens über die Folgen der auslaufenden Verträge mit der Deutschen Bahn. Als das Gutachten schließlich vorlag, wurde den Stadträten „nicht hinreichend“ Akteneinsicht gewährt. Quelle: Merkur 21.07.19, Süddeutsche Zeitung 21.03.19, 12.07.19 und 20.08.19, Pressemitteilung Bayerisches Verwaltungsgericht München vom 04.07.19.

_________________________ DRUCKFRISCH: Buchtipp zum neuen Jahr „Wo die Mediation lebt“!

Dass Mediation hilft, Konflikte beizulegen und zu vermeiden, ist bekannt. Wie sieht aber die Praxis aus? Wo passiert Mediation wirklich? Auf diese Frage – „Wo die Mediation lebt“ – gibt das aktuelle Jahrbuch Mediation aufschlussreiche Antwort. Packende Fälle auf 324 Seiten zeigen: Mediation lebt tatsächlich, in bunter Vielfalt und mitten im Leben! Denn Mediation ist hier und heute 2019/20 weniger die Anwendung von Schulwissen als das überzeugte Verhalten von Menschen, die selbstverantwortlich ihre Konflikte beilegen.
Dies zeigen die 15 beschriebenen Fälle, die zusätzlich von Expertinnen und Experten kommentiert werden. Namhafte Persönlichkeiten, wie Prof. Dr. Katharina von Schlieffen, Fernuniversität Hagen, oder Dr. Sascha Weigel, Unternehmensberater und Moderator eines Konflikt-Podcasts, begleiteten das Buchprojekt.

Der besondere Buchtipp für Mediationsinteressierte: Jahrbuch Mediation 2019/20: „Wo die Mediation lebt“, Neuerscheinung des Hagener Wissenschaftsverlags, 324 Seiten, 28 Euro, ISBN 978-3-7321-0388-1, Dezember 2019 – und jetzt auch bei Amazon erhältlich!

Der Bogen spannt sich von der Mediation zwischen Menschen mit Handicap („Mein Stuhl ist weg!“) bis zum Versöhnungsritual im Strafvollzug („Hühnersuppe im Himmel“), von der Telefonmediation zwischen einem Hotelier und säumigem Verein bis hin zur Online-Schlichtung, die zwischen einer enttäuschten Seminarteilnehmerin und einem Internetanbieter vermittelte. Exotik verspricht der Beitrag „Ho’oponopono: Auf Hawaiianisch Frieden machen“ – sehr lesenswert!
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Vorreiter: Niedersachsen fördert außergerichtliche Streitbeilegung durch Verzicht auf Gerichtsgebühren
Die Landesregierung Niedersachsen hat die Verordnung über das Entfallen von Gerichtsgebühren bei außergerichtlicher Konfliktbeilegung beschlossen. Ab dem 1. Juli 2019 wird auf Gerichtsgebühren verzichtet, wenn vor dem Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- oder Arbeitsgericht erhobene Klagen oder Anträge infolge einer außergerichtlichen Einigung der Parteien zurückgenommen werden.
Die niedersächsische Regelung ist auf Grund einer Verordnungsermächtigung des Bundes (§ 69b GKG) möglich. Niedersachsen ist das erste Bundesland, das entsprechende Vergünstigungen für die Verfahrensbeteiligten vorsieht. Der Verzicht auf Gerichtsgebühren soll die Bereitschaft zur außergerichtlichen Streitbeilegung auch nach erfolgter Klageerhebung erhalten und fördern.
Justizministerin Barbara Havliza: „Die größte Akzeptanz auf beiden Seiten erreicht man sicher, wenn die Streitbeteiligten aufeinander zugehen und zu einer gemeinsamen Lösung gelangen. Durch den nun vorgesehenen Verzicht auf die Gerichtsgebühren wollen wir die Parteien auch nach Klageerhebung noch ermuntern, diesen Schritt zu gehen.“
Beispiel für einen Anwendungsfall: Ein Bürger möchte gegen einen komplizierten Abgabenbescheid vorgehen und sucht das Gespräch mit der Behörde. Es wird deutlich, dass eine Lösung innerhalb der Klagefrist von einem Monat nicht gefunden werden kann. Der Bürger erhebt deshalb vorsorglich Klage beim Verwaltungsgericht. Hierfür fällt eine Gerichtsgebühr an, die grundsätzlich von demjenigen zu tragen ist, der im gerichtlichen Verfahren unterliegt. Die beschlossene Regelung eröffnet einen Ausweg. Führen die weiteren Gespräche dazu, dass die Behörde den Bescheid zumindest teilweise ändert und die Klage zurückgenommen wird, so entfallen die Gerichtsgebühren. Würde das Gericht den Bescheid durch ein Urteil teilweise ändern, so müsste der Bürger auch teilweise die Gerichtskosten übernehmen. Die neue Regelung ist insofern ein Vorteil für ihn, denn sie mindert das Kostenrisiko im gerichtlichen Verfahren. Quelle: Presseinformation der Niedersächsischen Staatskanzlei 28.05.19.
Kommentar: Mit dieser Förderung der außergerichtlichen Konfliktlösung kommt der Niedersächsischen Landesregierung eine Vorreiterfunktion in Deutschland zu.
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Bauskandal World Conference Center: Zustimmung zum Güterichterverfahren?
Der Bonner Stadtrat wird darüber entscheiden, ob ein Güterichterverfahren rund um den Bauskandal des World Conference Centers (WCCB) angestrebt oder der Prozess vor dem Verwaltungsgericht Köln fortgeführt wird. Die Stadt klagt von der früheren Oberbürgermeisterin (SPD) und dem ehemaligen Stadtdirektor (CDU) als WCCB-Projektbeauftragter je eine Million Schadenersatz ein.
Das Verwaltungsgericht Köln hatte im Juni für beide Fälle angeregt, ein Güterichterverfahren durchzuführen. Dies bedeutet, dass in nichtöffentlichen, vertraulichen Sitzungen eine Einigung gefunden werden soll. Die beiden Angeklagten erklärten sich mit dem Verfahren einverstanden.
Ob sich eine Mehrheit tatsächlich findet, ist fraglich. Denn der Bonner Stadtrat hat den Klageweg vor dem Verwaltungsgericht Köln auch deswegen beschritten, um Klarheit darüber zu bekommen, welche Mitschuld die Alt-Oberbürgermeisterin und der Stadtdirektor neben dem südkoreanischen Investor Kim zu verantworten haben. Vor allen die kleineren Parteien im Stadtrat sehen in dem öffentlichen Prozess die Chance, dass die Bonner Bürger über Sachverhalt und Schaden ausführlich informiert werden.
Der asiatische Partner konnte das versprochene Eigenkapital nicht aufbringen und wurde wegen Betrugs zu einer Haftstrafe verurteilt. Durch das Baudebakel entstand der Stadt Bonn ein Schaden von 300 Millionen Euro. Quelle: General Anzeiger Bonn, 07.09.19 und 02.08.19.
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Waage Hannover soll helfen: Brutaler Angriff bei Jugendfußballspiel
Die Anzahl von Gewaltvorfällen im Rahmen von Fußballspielen ist beunruhigend. In der Stadt und Region Hannover ist das Thema besonders brisant. Über einen besonders schwerwiegenden Fall in der C-Jugend wird im September in zahlreichen Medien berichtet. Sie stellen die Frage zur Diskussion, ob der Amateurfußball immer häufiger Schauplatz von Gewalt wird.
Die C-Jugend des niedersächsischen Fußballvereins TSV Burgdorf verletzt einen Gegenspieler so sehr, dass er mit Verdacht auf innere Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert werden muss.
Der Vorfall ist kurz erklärt: Obwohl der TSV Burgdorf gegen FC Lehrte in Führung liegt, begeht ein Burgdorfer Spieler kurz vor Abpfiff ein Foul. Als Revanche schubst der 13jährige Spieler des FC Lehrte einen seiner Gegner, was die Mannschaft des TSV wiederum für einen brutalen Übergriff nutzt. Sie reißen den 13Jährigen um und treten gemeinschaftlich mit ihren Stollenschuhen auf den am Boden Liegenden ein. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung.
„Die Mannschaft der TSV Burgdorf ist offenkundig völlig außer Kontrolle und hat erschreckendes und geradewegs kriminelles Gewaltpotenzial“, heißt es in der Stellungnahme des Kreissportgerichts, das die C-Jugend des TSV Burgdorf bis zum 21.03.2020 vom Spielbetrieb ausschließen wird. Auch der TSV-Trainer beschreibt das Verhalten seiner Spieler als inakzeptabel. Die Mannschaft werde komplett abgemeldet. Er wolle aber weiterhin mit den Jugendlichen arbeiten und sich zukünftig eng mit der Stadtjugendpflege zusammentun. Denn die Jugendlichen kämen aus benachteiligten Familien und der Fußballverein habe soziale Aufgaben zu erfüllen.
Mittlerweile wurde ein runder Tisch gebildet, um alle Betroffenen zu Wort kommen zu lassen. Auch die Waage Hannover e.V. ist als Mediationseinrichtung dabei, die ohnehin regelmäßig mit dem Niedersächsischen Fußballverband zusammenarbeitet. Der TSV Burgdorf muss sich Versäumnisse vorwerfen lassen. Denn schon bei früheren, unsportlichen Vorfällen habe es ein Mediationsangebot an den Verein gegeben, das nicht wahrgenommen wurde. Quelle: Taz, 23.09.19, Die Welt 23.09.19, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 05.10.19.
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Qualitätssicherung in der Mediation – Kongress in 2020
Ziel der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ist in erster Linie die Qualitätssicherung der Mediation. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/13854) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Auch die Aus- und Fortbildungspflicht durch Einzelsupervision diene diesem Zweck. Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die Anlass für strengere Vorgaben betreffend die Voraussetzungen und die Anforderungen an die Einzelsupervision und die Qualifikation der Supervisoren geben. Das Bundesjustizministerium plane für das Jahr 2020 einen Kongress mit allen Interessierten, um sich darüber auszutauschen, wie die Mediation in Deutschland noch nachhaltiger gefördert werden kann.
Für die Fragesteller ist es fraglich, inwieweit die getroffenen Regelungen eine tatsächliche qualitative Sicherung oder Verbesserung der Mediation geschaffen haben. Es gebe Bedenken hinsichtlich ihres Nutzens und ihrer praktischen Umsetzung. Quelle: hib – heute im bundestag Nr. 1314, 21.11.2019, Deutscher Bundestag, Parlamentsnachrichten.

Der Hagener Wissenschaftsverlag und „Jahrbuch Mediation“ wünschen ein friedliches Jahr 2020!