Mediatorin und Dipl. Sozialpädagogin Katty Nöllenburg gibt Empfehlungen, damit häusliche Konflikte unter den erschwerten Bedingungen in Corona-Zeiten nicht zu Eskalationen führen. „Exit-Strategien“ für Situationen, in denen alles zu viel wird, gehören zum Konfliktmanagement.
Die Mediatorin ist eine gefragte Frau: Katty Nöllenburg gibt Ratschläge zum innerhäuslichen Konfliktmanagement in TV-Sendungen, wie „Volle Kanne“ und „Panorama“, oder in Fachmagazinen, wie „Mediation aktuell“. Die Geschäftsführerin des Instituts für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation e.V. (Hamburg) beobachtet, wie die Menschen auf die Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens reagieren: „Die gewohnten Ablenkungs- und Ausweichmöglichkeiten stehen deutlich eingeschränkter zur Verfügung“, so Katty Nöllenburg. „Dies lässt bereits existierende Konfliktmuster in Familien, die sich über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut haben, stark an die Oberfläche treten.“ Das Ergebnis sei, dass die aufgebaute soziale und emotionale Kontrolle zu entgleiten drohe und die Wahrscheinlichkeit von Konflikteskalation deutlich zunehme.
Auswahl der praktischen Empfehlungen:
- Rahmenbedingungen für Rückzugsräume und – zeiten aufstellen.
- Codewörter und Exit-Strategien für überwältigende Situationen festlegen.
- Sich auf Schwierigkeiten einstellen, um von eigenen Emotionen nicht überwältigt zu werden.
- Schwierige Themen möglichst vermeiden, Impulskontrolle und Fehlerfreundlichkeit üben.
- Stressoren gemeinsam identifizieren: Was nervt dich oder mich besonders?
- Schwierige Tageszeiten und Situationen identifizieren, Absprachen aufschreiben und an den Kühlschrank hängen.
- Keinen „Schuldigen“ suchen, sondern die Corona-Situation als Grund benennen.
- Und im Streitfall: Gewaltfrei bleiben. (Quelle: www.ikm-hamburg.de)
Code-Wörter und Exit-Strategien
Müssen viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, sind Vereinbarungen und Exit-Strategien umso wichtiger. Katty Nöllenburg rät, mit Kindern ein markantes Code-Wort zu vereinbaren, z.B. „Rakete“. „Sie können es als Signal nutzen, wenn ihnen die Atmosphäre der Erwachsenen zu aggressiv wird oder der Streit mit den Geschwistern komplett zu entgleiten droht.“ Konflikte könnten mit Code-Wörtern nicht vermieden werden, aber zumindest deren Eskalation.
Bei Erwachsenen seien persönliche Code-Wörter sinnvoll, wenn das Überschreiten der eigenen Grenze drohe. Die jeweilige Botschaft könnte im Notfall lauten: Ich will jetzt über Kopfhörer Musik hören, eine Freundin anrufen, duschen gehen, etwas kochen, Sport machen oder alleine rausgehen.
Zu einem erfolgreichen Konfliktmanagement gehört deswegen auch folgende Regelung: Wann und wie kann jedes Mitglied täglich auch einmal für sich sein? Zeiten gemeinsam festlegen. (Foto: Pixabay)
Neue Formate der Ablenkung sind gefragt, um Frust abbauen zu können: Die Verabredung am Freitagabend mit Freundinnen zum Video-Chat ersetzt den Lokal-Besuch, digitale Lesungen und Konzerte gemeinsam hören, Anregungen für Hobbies gibt es zuhauf im Internet – vielfältige Exit-Strategien, um Krisensituationen vorzubeugen. „Die Kreativität der Menschen kommt in diesen Tage über die Social-Media-Kanäle weltweit zur Geltung; sie dient zur wichtigen Stärkung der eigenen Frustrationstoleranz.“
Doch was ist, wenn dies nicht gelingt? „Wer Eskalationen beobachtet oder befürchtet, dass jemand Gewalt erfährt, sollte sich bemerkbar machen, mögliche Opfer und Unterlegene ansprechen“, wie Katty Nöllenburg immer wieder betont. Zivilcourage dürfe durch die Corona-Krise nicht eingeschränkt werden.
Katty Nöllenburg ist Geschäftsführerin des Instituts für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation e.V. (ikm) in Hamburg. Die Dipl. Sozialpädagogin und Mediatorin hat sich u.a. auf Interkulturelle Kommunikation, Gewaltprävention und Konfliktaustragung spezialisiert.
Quellen: Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation e.V. (ikm), Mediation aktuell – 10. April 2020.
0 Kommentare