Ein persönliches Stimmungsbild für 2020 zeichnet Mediatorin Sabine Sauerborn (Oberhausen). Ist Mediation in Pandemiezeiten ein gutes Mittel der Konfliktlösung? „Absolut für Paar- und Familienmediationen“, lautet das Fazit der Mediatorin aufgrund ihrer Erfahrungen der zurückliegenden Monate.

Wie wirkt sich „Corona“ auf Ihre Arbeit aus?
Sauerborn: Größere Projekte laufen weniger, dafür wird die Mediation im Kleinen, also innerhalb von Familien, stärker nachgefragt.
2020 war „Mediation for Peace“ geplant, zusammen mit Partnern aus verschiedenen Ländern. Nach den Vorbereitungsarbeiten haben wir uns auf die Umsetzung gefreut. Aber es musste verschoben werden und im kommenden Jahr fangen wir dann von vorne an. Auch Wirtschaftsmediationen haben sich auf 2021 verschoben.

Zurzeit lehren Sie „Gewaltfreie Kommunikation“. Wie läuft das Ausbildungsmodul?
Sauerborn: Ja, unsere Aus- und Fortbildungen laufen wieder. Die Präsenzeinheiten sind selbstverständlich mit Maske. Klar bekomme ich auch mal Kopfschmerzen, aber so geht es im Moment ganz vielen.

Ist Hybridunterricht ein Thema?
Sauerborn: Ja, generell stellen wir auf Präsenz- und Onlineeinheiten um, beispielsweise unseren „offenen Mediatorentreff“, den wir seit Jahren anbieten. Nach einem erfolgreichen Probedurchlauf können Teilnehmende jetzt entscheiden, wie sie an diesem praktischen Erfahrungsaustausch mitmachen möchten, ob vor Ort und über Zoom.
(Foto: Mediatorin Sabine Sauerborn, Diplom-Betriebswirtin, Coach, Burnout-Beraterin)

Wie sehen Ihre Erfahrungen mit digitalen Mediationen aus?
Sauerborn: 2020 liefen die meisten Mediationen digital. Ich habe mich für Zoom entschieden, weil sich meine Medianden einloggen können, ohne ein eigenes Konto erstellen zu müssen. Wichtig ist in den Vorgesprächen: Läuft das Internet der Medianden stabil? Sind Kamera und Mikrofon okay? Nichts beeinträchtigt Sitzungen mehr, wenn zu den Konflikten technische Probleme hinzukommen.

Ist Mediation optimal in Pandemiezeiten?
Sauerborn: Absolut für Paar- und Familienmediationen. Da die Menschen viel früher zu mir kommen, sind die Konflikte nicht so hoch eskaliert, wie ich das bisher aus meiner Praxis kannte. Die Menschen können ihren Konflikten nicht mehr entfliehen, beispielsweise im Fitness-Studio. Mangels Alternativen sind sie für Konfliktlösungen bereiter. Mediation gewinnt in Pandemiezeiten an Stellenwert, so meine Einschätzung.
Aber die Inhalte verlagern sich: Vor Corona wollten die Menschen die Trennung oder Scheidung in einer Mediation bearbeiten. Heute wollen sie Zusammenleben und Umgang verbessern. Bei einer Paar-Sitzung habe ich erlebt, dass jeder vor seinem Laptop in separaten Zimmern saß – eine Entscheidung, die letztlich gut funktioniert hat.

Wie sehen Ihre Medianden die digitale Technik?
Sauerborn: Es ist auffallend, dass es für viele Menschen online einfacher ist. Sie empfinden die Distanz oft sogar positiv, es ist nicht so hautnah.

Ist es nicht schwierig, auf Bildschirmen die „Schwingungen“ wahrzunehmen?
Sauerborn: Das ist eine Herausforderung. Ich sehe meist nur den Oberkörper. Das heißt, ich versuche viel genauer hinzusehen und hinzuhören, um Körperhaltung oder Schwingungen aufzunehmen. Ich muss häufig nachfragen, ob meine Wahrnehmung richtig ist.

Dauern die Mediationssitzungen dadurch länger?
Sauerborn: Das ist nicht der Fall. Für längere Zeit auf einen Bildschirm zu starren, ist für alle Parteien anstrengend.

Werden Sie die digitale Kommunikation beibehalten?
Sauerborn: Ja, auf die Vorteile und Erfahrungen will ich nicht mehr verzichten – es wird ein Teil der neuen Zukunft sein!

Das Gespräch führte Irene Seidel.

Weitere Informationen: Zentralverband für Mediation Deutschland mit Vorstandsmitglied Sabine Sauerborn.