Die MediationsZentrale München e.V. (MZM) wirkt tief in das System Schule hinein, in Klassenzimmer und auf den Schulhof, in Lehrerzimmer und Direktorat bis zu den Eltern oder zur nachmittäglichen Kinderbetreuung, um Reibereien oder Konflikte aufzulösen. Was sich wie ein Idealmodell der Zukunft anhört, läuft in München bereits an 23 Schulen erfolgreich. Die MZM erhielt dafür Ende 2020 den Innovationspreis des Bundesverbandes Mediation (Berlin).
Juliane Wünschmann, Gründerin (in 2009) und Teamleiterin Schulmediation, freute sich sehr über die Auszeichnung. Im Interview erläutert die Mediatorin, wie das innovative Konzept im Schulalltag funktioniert. „Zukünftig könnte ich mir ein Social-Franchise-System der Schulmediation vorstellen“, regt Juliane Wünschmann an – eine spannende Idee.

Was unterscheidet Ihre Arbeit von Peermediationen an Schulen?
Wünschmann: Es ist wichtig, dass Gleichaltrige unter Anleitung engagierter Lehrkräfte oder Sozialpädagogen lernen, ihre Streitigkeiten untereinander zu schlichten. Wir als MediationsZentrale München gehen einen Schritt weiter, denn unsere professionelle Kompetenz ermöglicht einen ganzheitlichen Ansatz, der alle im Schulsystem einschließt. Obwohl wir von außen kommen, sind die 37 Mediatorinnen und Mediatoren durch feste Sprechstunden und darüber hinaus generell ein vertrauter, dauerhafter Bestandteil des Schulsystems.

Um welche Konflikte geht es?
Wünschmann: Wir vermitteln zwischen Schülern und zwischen Erwachsenen, sei es in den verschiedenen Schulinstanzen wie Hausmeisterei, Nachmittagsbetreuung oder Direktorat. Wir kümmern uns um Reibereien innerhalb des Lehrerkollegiums oder um aufgebrachte Eltern. In prekären Fällen, wie häuslicher Gewalt, sind wir auch ansprechbar – hier natürlich in enger Synergie mit Schulleitung und Lehrkräften. Auf Wunsch starten wir Interventionen, wie die Moderation heikler Elternabende oder wie die Unterstützung bei hartnäckigen Konflikten in Klassengemeinschaften. Den Schüler-Streitschlichtern nehmen wir keine Fälle weg, wir begreifen uns als Partner.

(Foto: Juliane Wünschmann, MediationsZentrale München, Innovationspreis des Bundesverbandes Mediation, Fotograf Cem Bazer)

Klassische Mediation und praktische Interventionen 

Wie sehen Interventionen aus?
Wünschmann: Zum Beispiel haben sich in einer Klasse zwei beste Freundinnen wegen Eifersüchteleien zerstritten. Die Mädchen teilten sie sich in zwei Lager, die im Klassenraum und Pausenhof ihre Konflikte immer eskalierender austrugen. Um Frieden herzustellen, haben wir neben klassischer Mediation und Einzelgesprächen Methoden eingesetzt, wie den „Stärke-Baum“ oder das „liegende Klassenzimmer“.

Beide Methoden entschärfen Rivalitäten?
Wünschmann: Sie ändern spielerisch den Blick auf den anderen. Vor allem das „liegende Klassenzimmer“ macht den Kindern viel Spaß. Jeder hat eine Papierfigur und legt sie in einen durch ein Seil markierten Kreis an die Stelle, an der er bzw. sie sich in der Klassengemeinschaft sieht. So erkennt man, wer zusammensteht und wer eher am Rand ist und welche Cliquen sich gebildet haben – und schon ist ein gemeinsamer, achtsamer Austausch innerhalb der Klasse in Gang gesetzt.
Der Stärke-Baum symbolisiert die Klasse. Die Kinder schreiben in ausgelosten Zweier-Gruppen auf Karten, worin sie eine eigene Stärke und eine Stärke ihres Mitschülers sehen. Die Karten werden geclustert und als Blätter an den Baum gehängt. Dadurch wird sichtbar, welche Stärken der einzelne und welche die Gemeinschaft haben, integriert mit all den Fähigkeiten, die sonst oft verborgen bleiben, wie zum Beispiel von Außenseitern oder Migrationskindern.

Wie gehen Sie mit Mobbing um?
Wünschmann: Mediation ist nicht das Allheilmittel für Mobbing. Wichtig ist, dass wir die Diagnostik beherrschen. Haben wir das Problem identifiziert, flankieren wir bestimmte, an der Mobbingursache arbeitende Maßnahmen. Beispielsweise Sozialkompetenztrainings, wofür es professionelle Anbieter gibt. In Einzelmediationen helfen wir, individuelle Konfliktfelder zusätzlich zu befrieden.

Wie ist die MZM-Schulmediation organisiert?
Wünschmann: Die MZM-Schulmediatoren sind in Zweier-Teams für zwei Zeitstunden pro Woche an immer derselben Schule. Die gleiche Zeit investieren sie in Email- oder Telefonanfragen oder vor Ort-Terminen auch mal außerhalb der Sprechzeiten. Ich bin Leiterin unseres Teams, flankiert durch Teambegleiter, die wie eine zweite Führungsebene für jeweils vier Teamgruppen da sind.

Wie war 2020 die Belastung?
Wünschmann: Sehr hoch! Im ersten Lockdown ging es darum, deutliche Signale zu geben, dass und wie wir weiterhin für unsere Schulgemeinschaften erreichbar sind, selbst wenn die Schultore geschlossen sind. Ich habe umgehend alle Hebel in Bewegung gesetzt: Wir haben uns in Telefon- und Online-Mediation fortgebildet, mit den Schulen kommuniziert und uns nochmals ganz intensiv mit dem Feld häuslicher Gewalt beschäftigt, um auch hier gut gewappnet zu sein und um erste Hilfe leisten zu können.

Schulmediation als Social-Franchise-System!

Prof. Friedrich Glasl, Jurymitglied des Innovationspreises, lobte das zukunftsweisende Konzept. Könnte die MediationsZentrale München ein bundesweites Vorbild sein?
Wünschmann: Die MZM-Schulmediation ist auf jede Schulform und Region übertragbar. Zukünftig könnte ich mir ein „Social-Franchise-System“ vorstellen, mit einem Starter-Kit für Interessierte, das wichtige Hilfestellungen enthält.  Unsere Projekte zeigen auch, neben ihrer erfolgreichen Wirkung, dass externe Schulmediation nach unserem Konzept speziell Mediatorinnen und Mediatoren kurz nach der Ausbildung gute Chancen bietet, viel Praxiserfahrung zu sammeln.

Für das neue Jahr 2021 alles Gute und weiterhin viel Erfolg für die MZM-Schulmediation! Das Gespräch führte Irene Seidel.

Informationen zu Struktur, Mitgliedern und Sponsoren unter MediationsZentrale München e.V. (MZM).