Seit Januar 2021 ist das Gesetz zur Stabilisierung- und Restrukturierung von Unternehmen (StaRUG) in Kraft. Sein Novum: Es ist ein schuldneraktiviertes Sanierungsrecht und schon bei absehbaren Finanzierungsnöten (in 12 bis 24 Monaten) anwendbar – Krisenprophylaxe als neue Sanierungskultur!

Anbetracht der Pandemie-Lockdowns werden angeschlagene Unternehmen Sanierungsmaßnahmen noch Jahre begleiten. Über die Mediationskompetenzen bei Sanierungen sprachen Prof. Dr. Lucas Flöther, Experte für Insolvenz- und Sanierungsrecht, und Mediator Dr. Sascha Weigel, INKOVEMA Leipzig, in der aktuellen Ausgabe des INKOVEMA-Podcasts „Gut durch die Zeit“. (Foto: Dr. Sascha Weigel, Moderator und Mediator)

Wie vollzog sich Wertewandel in Insolvenzverwaltung?

Der Podcast-Beitrag zeichnet den Wandel vom früheren auf Liquidation ausgerichteten Konkursrecht zu einer modernen Konflikt- und Sanierungskultur. Ein frühes Eingreifen, bereits weit vor der drohenden Insolvenz, kann ein Unternehmen rechtzeitig auf Kurs bringen, und zwar auch als Win-win-Situation für Gläubiger und Arbeitnehmer.
Für den Wertewandel in der Insolvenzverwaltung spielt das Jahr 1999 eine entscheidende Rolle:

Konkursordnung vor 1999:
Der Insolvenzverwalter fungierte als „Liquidator“, der die Geschäftsführung ablöste. „Der Konkursverwalter hatte die Zügel in der Hand und wickelte ab“, beschreibt Prof. Flöther das rigorose und oftmals demütigende Vorgehen. Der Geschäftsführer musste seinen Schreibtisch bis zum Parkplatz an den Insolvenzverwalter abgeben.

Insolvenzordnung ab 1999:
Ab 1999 beginnt der Wertewandel, da die Insolvenzverwalter sich fortan als „Sanierer“ verstehen. Als neuer Erfolgsfaktor galt auch, sich das „betriebswirtschaftliche Know-how“ der Geschäftsführer zu Nutze zu machen. Nicht die Zerschlagung des Unternehmens sondern die Eigenverwaltung gewann durch die Insolvenzordnung an Bedeutung.
Wenn Unternehmen scheitern, ist nicht einer der Schuldige, da unternehmerische Entscheidungen häufig in komplexen Gemengelagen gefällt werden müssen. Mediator Dr. Weigel zieht die Parallelen zum zeitgemäßen Verständnis von Konfliktbearbeitung: Die Konfliktbeteiligten seien heute die „Experten für ihre Konfliktlösung“. Es gelte, die Fehler in den Lösungsprozess zu integrieren, um es zukünftig besser zu machen. Nicht die Suche nach „dem Schuldigen“, sondern die „Fehlerkultur“ stehe im Fokus.
Für den Wertewandel innerhalb der Unternehmenssanierung in Deutschland habe man vom Ausland viel lernen können, weitet Prof. Flöther den Blick: In der „Kultur der zweiten Chance sind uns die Engländer und Amerikaner weit voraus“.

Gesetz zur Stabilisierung- und Restrukturierung seit 2021:
Das neue Gesetz geht für Prof. Flöther noch einen Schritt weiter und fördert die „Krisenprophylaxe“, um Handlungsoptionen zu wahren, bevor beispielsweise die Zahlungsunfähigkeit eintrete.
Aus Sicht von Mediator Sascha Weigel fördere die vorinsolventliche Sanierung gemäß StaRUG die „Lernkultur in Krisensituationen“. Der „Schuldner wird zum Gestalter“. In der Sanierungs- und Konfliktkultur gehe es darum, Verfahren zu etablieren, die die Erfahrungen des Scheiterns (Fehlerkultur) in der Zukunftsplanung berücksichtigten und am Ende die neuen Chancen betonten – Stichwort „lernendes Management“.
Am Ende formuliert Prof. Flöther einen unterschätzten Erfolgsfaktor: Dass Unternehmer lernen müssten, rechtzeitig „das Wort Krise in den Mund zu nehmen“. Denn früher galt, allein das Wort Krise auszusprechen, als unternehmensschädigend. In der Dauerkrise der Corona-Pandemie habe es etwas von seinem „Schrecken verloren“.
Das Gesetz zur Stabilisierung- und Restrukturierung von Unternehmen (StaRUG) eröffnet neue Wege zur Krisenprophylaxe und Sanierungskultur.

Zu den Gesprächspartnern:
Prof. Dr. Lucas Flöther lehrt Insolvenz- und Vollstreckungsrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2015 ist er Sprecher des Gravenbrucher Kreises, in dem sich Insolvenzverwalter und Sanierungsexperten zusammengeschlossen haben.
Dr. jur. Sascha Weigel, Rechtsanwalt und Mediator, moderiert den „INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“. Zentrale Themen sind Mediation und Konfliktmanagement. Darüber hinaus begleitet  Sascha Weigel die Sendung „Auf die Zwölf“ (detektor.fm).

Interesse geweckt?
INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“ – Themen rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung, aktuelle Sendung zu Sanierungskultur-Konfliktkultur im Gespräch mit Lucas Flöther;
Prof. Dr. Lucas Flöther, Kanzlei Flöther&Wissing (Halle), und Dr. Sascha Weigel, INKOVEMA Leipzig.