Für welche Probleme ist die Idee einer Mediatorenkammer ein Lösungsansatz – und wie können sie sonst gelöst werden? Diese Fragestellung beleuchten Prof. Dr. Reinhard Greger, Richter am Bundesgerichtshof a.D. und Professor der Universität Nürnberg-Erlangen, und Dr. Sascha Weigel, Rechtsanwalt und Mediator, in der September-Sendung des INKOVEMA-Podcasts „Gut durch die Zeit“ mit kritischem Blick. Aktueller Anlass ist der Vorschlag der Deutschen Stiftung Mediation, den Mediationsberuf zu „verkammern“. Obwohl Prof. Greger die Vorteile des Kammerwesens grundsätzlich sieht, favorisiert er andere Lösungsansätze gegenüber der Gründung einer Mediatorenkammer.
Die Verkammerung der Mediation ist ein Thema, das in der Vergangenheit immer wieder aufgegriffen wurde und eine Diskussion verdient. Doch ist die Zeit in Deutschland jetzt schon reif für diesen Schritt? Im Folgenden werden einige Aspekte des Podcasts in verkürzter Darstellung aufgegriffen.
Hintergrund der Diskussion
Ende März 2021 stieß die Deutsche Stiftung Mediation in einem Rundschreiben an das Bundesjustizministerium und Mediationseinrichtungen die Idee zur Gründung einer Bundesmediatorenkammer, ähnlich der Anwalt- oder Ärztekammern, als Beitrag zur Professionalisierung der Mediation an. Die Intension: Eine Mediatorenkammer schaffe über Qualitätskriterien und eine positive Außendarstellung stärkeres Vertrauen in die außergerichtliche Konfliktbeilegung.
Für welche Probleme wäre die Verkammerung eine Lösung?
Moderator Dr. Weigel stellt zwei Aspekte in den Vordergrund. Fakt sei, dass die Mediation ein Nachfrageproblem habe und zu wenige Mediationen ausgetragen würden, trotz einer Vielzahl geeigneter Konfliktfälle. Die Außendarstellung einer Kammer könne die Bekanntheit der Mediation fördern. Doch welche „eine“ Stimme solle für die inhomogene Mediatorenszene mit ihren „höchst unterschiedlichen Charakteren“ sprechen? Das andere wichtige Thema sei die Qualitätssicherung, die durch die Kontrollfunktion der Kammer geleistet werden könne.
Für wen macht Kammermitgliedschaft Sinn?
Für Prof. Greger ist eines der Hauptprobleme die Frage: Wer soll Mitglied einer solchen Kammer sein? Es gäbe kein einheitliches Berufsbild der Mediatorin/ des Mediators, wie bei der Ärzte- oder Anwaltschaft. Der mögliche Mitgliedskreis sei schwer zu identifizieren: Unter den laut Stiftung 130.000 Mediatorinnen und Mediatoren in Deutschland befänden sich Wirtschaftsmediatoren, die „groß im Geschäft“ seien, und auf der anderen Seite viele engagierte „Einzelkämpfer“, die vor allem in der Familienmediation tätig seien.
Prof. Greger gibt im Podcast-Gespräch weiterhin zu bedenken, dass die meisten Aktiven eher „Gelegenheitsmediatoren“ seien, die diese Aufgabe neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit durchführten. Für die vergleichsweise wenigen „reinen Berufsmediatoren“ würde sich die Einrichtung einer Kammer kaum lohnen.
Sind verfassungsrechtliche Anforderungen erfüllt?
Prof. Greger bezieht sich auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts 2017, in denen eine Verkammerung mit Pflichtmitgliedschaft nur dann begründet sei, wenn legitime Aufgaben des öffentlichen Interesses zu regulieren seien. Die bessere Bekanntmachung der Mediation und Qualifizierungsmaßnahmen könnten „privat erfüllt“ werden und seien „kein Rechtfertigungsgrund“ für eine Verkammerung. Aus seiner Sicht sei deswegen die Mediatorenkammer auch aus faktischen Gründen nicht machbar.
Welche Maßnahmen sind rascher realisierbar?
Wie die Podcast-Diskussion weiterhin ergab, liegen die Lösungsansätze, um Mediation in Deutschland voranzubringen, u.a. in Verweisungs- bzw. Beratungspflichten zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung:
- Verweisungspflichten für Richter bei den Gerichten,
- Beratungspflichten für Rechtsanwälte,
- Anforderungen an Sozial- und Beratungsstellen,
- Erfahrungswerte aus Pilotprojekten, wie dem BIGFAM-Projekt Berlin, nutzen.
Quelle: INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“, Sendung „Verkammerung der Mediation – im Gespräch mit Prof. Reinhard Greger“, 11. September 2021.
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