Waldbrände im Mittelmeergebiet oder die verheerenden Überschwemmungen in Deutschland sind Auswirkungen der Erderwärmung. Welche Bedeutung werden die Schäden des Klimawandels in Dispute Resolution zukünftig besitzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Dr. Michael Hammes, PricewaterhouseCoopers (PwC), in seinem Beitrag „Klimaerwärmung – Wachstumsfeld für Klimaklagen?“ in der aktuellen Ausgabe des Online-Magazins DisputeResolution.
Ein Schwerpunkt von Dr. Hammes, Direktor Forensic Services bei PwC, sind u.a. Gutachten bei außergerichtlichen Verfahren bzw. Schiedsverfahren.
Peruanischer Landwirt klagt gegen RWE
Gerichte, Schlichtungen oder Mediationen beschäftigen sich immer stärker mit dem Klimaschutz, zum Beispiel bei Streitigkeiten zu den Standorten von Windrädern oder über die Verläufe der neuen Stromtrassen quer durch Deutschland, um die Energie der Windparks im Norden zu Verbrauchern im Süden zu transportieren. Hier sind bei Konflikten die jeweiligen Parteien meist leicht zu identifizieren.
Doch wie sieht es bei Schäden aufgrund des allgemeinen Klimawandels aus? Wer ist tatsächlich Verursacher und muss für Schäden aufkommen?
Dazu beschreibt Dr. Hammes einen besonders interessanten Fall: Ein peruanischer Landwirt reichte in Deutschland eine Klage gegen den Energieversorger RWE ein, die vor dem OLG Hamm Ende 2017 zugelassen wurde. Der Andenbewohner sieht durch das Schmelzwasser eines Gletschers seine Flächen von Überflutungen bedroht.
Der Klimawandel hat die Andenregion um rund 1 Grad erwärmt. Dr. Hammes führt zwei Studien auf, die den Zusammenhang zwischen der Gletscherschmelze und dem Energieunternehmen als Verursacher untermauern könnten:
- Das Carbon Majors Research Project (2010) ordnet 63 Prozent der seit 1751 erzeugten CO2-Emissionen rund 90 Verursachern zu, wobei RWE, insbesondere die CO2-Emissionen der Kohlekraftwerke, rund 0,5 Prozent der historisch produzierten Emissionen zugerechnet werden können.
- Die zweite Studie der Universitäten Oxford und Washington (2021) kommt zu dem Fazit, dass menschliche Aktivitäten zu etwa 85 Prozent zur Erwärmung der Andenregion beigetragen haben.
Der peruanische Landwirt wird bei seiner Klage von Germanwatch und der Stiftung Zukunftsfähigkeit unterstützt.
„Gerichtsfeste Kausalkette“ bei Klimaschäden?
Obwohl es nur um Schadensersatzforderungen von 20.000 Euro geht, betont Dr. Hammes die Bedeutung dieses Falles. Denn kommt es zu einem Urteil, würden sich die RWE-Aktivitäten und die Temperaturerwärmung in den 4.000 Kilometer entfernten Anden als „gerichtsfeste Kausalkette“ erweisen. Ob Gletschersee oder Überflutungen von Tälern oder Küstengebieten, Klimaklagen aus aller Welt wären die Folge für RWE.
Interessant sind auch weitere Fälle, die Dr. Hammes in seinem Beitrag kurz aufführt:
Der Shell-Konzern wurde wegen seines unzureichenden Klimaschutzes von Umweltschützern verklagt. Das Urteil (26.05.2021) eines niederländischen Gerichts verpflichtet das Unternehmen, seine Emissionen bis 2030 drastisch zu reduzieren. Das Gericht stützt sich auf die Erkenntnisse des Weltklimarats und auf die „Sorgfaltspflicht“, die im niederländischen Recht verankert ist. Der Shell-Konzern legte Berufung ein.
Die Deutsche Umwelthilfe kündigte im September 2021 ebenfalls Klimaklagen an, beispielsweise gegen BMW, Daimler und VW, um die Konzerne dazu zu verpflichten, Autos mit Verbrennungsmotoren nicht mehr ab 2030 anzubieten.
Online-Magazin „DisputeResolution“:
„DisputeResolution“ ist eine Publikation der Frankfurt Business Media GmbH und des Fachverlags German Law Publishers. Das Online-Magazin wird an Abonnenten kostenfrei als PDF versandt.
Quelle:
Dr. Michael Hammes: Klimaerwärmung – Wachstumsfeld für Klimaklagen, DisputeResolution, Ausgabe 3-2021, 22. September 2021;
Ausbau der Solar- und Windenergie: Kompetenzzentrum hilft bei Konfliktlösung – Interview, Jahrbuch Mediation, 28. Februar 2020.
0 Kommentare