Die Mediation als Leistung des JobCenters entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem wichtigen Spezialgebiet von Dr. Christine Susanne Rabe und Martin Wode. Ihre Erfahrungen zeigen, dass vor allem ehemalige Langzeitarbeitslose davon profitieren können. Denn gerade nach langer Arbeitslosigkeit kann es in einem neuen Beschäftigungsverhältnis zu erheblichen Anpassungsschwierigkeiten kommen, dass sogar eine Kündigung droht. § 16 g SGB II ermöglicht es JobCentern, individuell fördernde Maßnahmen anzubieten. Damit ist aus der Sicht der beiden Experten die gesetzliche Grundlage gegeben, dass Kosten für Mediationen vom JobCenter übernommen werden können – zum Vorteil aller Beteiligten.
Arbeitsplatzerhaltende Mediation, was ist damit gemeint?
Wode: Bei der arbeitsplatzerhaltenden Mediation geht es in erster Linie um die Klärung von Konflikten, die ein Arbeitsverhältnis belasten und ungeklärt zu dessen Beendigung, also Kündigung, führen können. Eine konfliktreiche Beendigung verursacht erhebliche – oft zunächst vernachlässigte – Kosten, wie viele Konfliktkostenstudien belegen. [1]
Rabe: Ein besonderer Fall ist dabei die Mediation als Leistung des JobCenters, um Unterstützung der Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu bieten.[2] Die Erfahrung zeigt, dass es besonders nach langer Arbeitslosigkeit oft zu erheblichen Problemen in neuen Beschäftigungsverhältnissen kommt.
Um welche Probleme geht es konkret?
Wode: Lange Zeiten von Arbeitslosigkeit führen bei vielen Betroffenen zu einem Verlust der Tagesstruktur und Sozialkompetenz. Das spiegelt sich in einem späteren neuen Beschäftigungsverhältnis häufig in mangelnden Strukturen beim Arbeitnehmer wider, verbunden mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten, Unpünktlichkeit, eingeschränkter Teamfähigkeit und verringerten Soft Skills. Dadurch entstehen Konfliktsituationen sowohl in fachlich-beruflicher als auch in sozialer Hinsicht. Verschärft wird die Situation dadurch, dass aufkommende Konflikte von ehemals Langzeitarbeitslosen im neuen Job meist nicht pro-aktiv bearbeitet und gelöst werden, sondern die Auseinandersetzung vermieden wird … der unbearbeitete Konflikt schwelt weiter und eskaliert bis hin zu einer möglichen Kündigung. Es kommt wieder zur Arbeitslosigkeit, oft gepaart mit einem verstärkten Gefühl des persönlichen Scheiterns. Die Abwärtsspirale für die betroffene Person kommt erneut, es entsteht ein regelrechter „Teufelskreis“.
Wann kommt die Mediation in diesem Kontext zum Einsatz?
Rabe: Mediation bietet die Chance, genau diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Entstehen Konflikte im neuen Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass ein erneuter Arbeitsplatzverlust möglich erscheint, übernimmt das JobCenter die Kosten einer Mediation zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber. Ziel dieser Mediation ist es, eine einvernehmliche Lösung für die Situation zu finden und das Arbeitsverhältnis damit zu stärken und zu erhalten.
Und das JobCenter übernimmt die Kosten?
Wode: Ja. Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Grundsatz des Förderns und Forderns. Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte soll einerseits bestmöglich unterstützt werden, die Hilfebedürftigkeit zu beenden. Gleichzeitig soll er auch gefordert werden, selbst aktiv zu werden und dabei mitzuwirken. Speziell § 16 g SGB II ermöglicht es dem JobCenter, auch nach dem Wegfall der Hilfebedürftigkeit oder während einer Maßnahme zur Eingliederung weitere Hilfen zu gewähren, auch wenn die wirtschaftliche Bedürftigkeit inzwischen durch den Job weggefallen ist. Die JobCenter müssen individuell fördernde Maßnahmen anbieten und dabei die jeweiligen Ressourcen der Betroffenen berücksichtigen. Damit ist die gesetzliche Grundlage gegeben, auf deren Basis die Kosten für entsprechende Mediationen vom JobCenter übernommen werden können.
Wer initiiert die Mediation?
Rabe: Der Anstoß für eine Mediation kann sowohl vom Arbeitgeberservice, dem Arbeitgeber aber auch vom Arbeitnehmer kommen. Es handelt sich regelmäßig um nach dem SGB II geförderte Arbeitsverhältnisse, in deren Rahmen bereits jetzt regelmäßig Feedbackgespräche über den Erfolg der Maßnahme bzw. Eingliederung zwischen Arbeitgeberservice, Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer geführt werden. Erfährt der zuständige Sachbearbeiter des Arbeitgeberservice in diesen Feedbackgesprächen von einem Konfliktfall, wird geprüft, ob sich der Konflikt für eine Bearbeitung durch Mediation grundsätzlich eignet.
Wode: Die Mitarbeitenden des Arbeitgeberservice werden dazu im Vorfeld geschult und über Sinn und Zweck einer Mediation aufgeklärt. Sie lernen den Verfahrensablauf und mögliche typische Konfliktlagen kennen, die immer wieder auftreten. So können sie eine Ersteinschätzung dahingehend vornehmen, ob Mediation sinnvoll scheint oder nicht. In geeigneten Fällen schlagen sie Arbeitgeber und Arbeitnehmer dann die Durchführung einer Mediation vor. Daneben können aber auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit formlos einen Konfliktfall mit der Bitte an den Arbeitgeberservice melden, eine Mediation durchzuführen.
Wie erfolgen die Kontaktaufnahme zur Mediatorin bzw. Mediator und die Beauftragung?
Rabe: Liegt bei Arbeitgeber und Arbeitnehmer der übereinstimmende Wunsch nach einer Mediation vor, meldet das JobCenter den Fall an einen Pool von VertragsmediatorInnen. Für ein erstes geplantes Pilotprojekt[3] wurde vom JobCenter dazu ein Rahmenvertrag mit dem Bundesverband unabhängiger Mediatoren (BuMedi), Institut für Konfliktmanagement e.V. verhandelt. Der BuMedi überwacht als Fachverband von Mediatorinnen und Mediatoren die fachliche Qualifikation der beteiligten MediatorInnen und sichert die Qualität.
Wode: Wer sich aus dem Pool auf die Anfrage zuerst zurückmeldet, erhält den Auftrag, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen. Ein wichtiger Grund wäre, wenn Beteiligte – egal aus welchem Grund – nicht mit der mediierenden Person einverstanden sind. Wenn die Beteiligten einverstanden sind, erfolgt ein erster Mediationstermin mit den Parteien in einem vom JobCenter zur Verfügung gestellten Raum.
Rabe: Wichtig ist, dass über die Inhalte der Mediation keine Berichterstattung gegenüber Dritten, insbesondere auch nicht gegenüber dem JobCenter, stattfindet. Dem JobCenter wird zur Kostenabrechnung lediglich mitgeteilt, wann und in welchem zeitlichen Umfang Mediationssitzungen stattgefunden haben.
Welche Interessen sprechen dafür, diesen Aufwand zu betreiben?
Wode: Für das JobCenter ganz klar die Kostenersparnis. Berechnungen haben ergeben, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bereits um nur einem Monat eine durchschnittliche Mediation mit 10 bis 15 Mediationsstunden faktisch refinanziert. Hinzu kommt das Ziel der erfolgreichen Integration in den Arbeitsmarkt.
Rabe: Der Arbeitgeber hat ein Interesse an der Mediation, da er im Falle der Beendigung des geförderten Arbeitsverhältnisses das Risiko trägt, zumindest anteilig die erhaltenen Fördergelder wieder zurückzahlen zu müssen. Dieses Risiko besteht teilweise sogar unabhängig davon, durch wen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Hinzu kommt der potentielle Gewinn eines neuen Mitarbeiters.
Wode: Für den Arbeitnehmer sind der Erhalt des Arbeitsplatzes und die Durchbrechung der Abwärtsspirale von großem Interesse.
Letzte Frage: Weshalb ist Ihnen das Projekt so wichtig?
Rabe: Uns beiden liegt das Projekt sehr am Herzen, weil es eine so großartige Chance insbesondere für die betroffenen Arbeitnehmer ist, eine schwierige Situation positiv zu meistern.
Wode: Leider ist das ursprüngliche Projekt unmittelbar vor dem Projektstart aus verschiedenen, rein verwaltungsinternen Gründen nicht weiter betrieben worden, dass es derzeit stockt. Wir würden uns persönlich sehr freuen, wenn sich – vielleicht sogar auf diesem Weg – weitere JobCenter finden ließen, die die Chance dieser Idee ergreifen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind gegeben; ein konkreter und realistisch umzusetzender Projektplan nebst Musterverträgen liegt vor. Der Kontakt zu den Beteiligten kann über uns hergestellt werden.
Dr. jur. Christine Susanne Rabe, Mediatorin BM® und BuM, Ausbilderin für Mediation BM®, Interkulturelle Mediatorin, Supervisorin, Fachbuchautorin, Lehrbeauftragte u.a. der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachen und Leibniz Fachhochschule Hannover, geschäftsführende Gesellschafterin der Legaxa® GmbH, Hannover.
Martin Wode, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Fachbuchautor, Mediator BM® und BuM, Wirtschaftsmediator, Supervisor, Lehrbeauftragter u.a. der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachen und Leibniz Fachhochschule Hannover, geschäftsführender Gesellschafter der Legaxa® GmbH, Hannover (www.legaxa.com).
[1] Vgl. dazu: Kirchhoff, Lars/Becker, Nicole/Hammes, Michael/Knobloch, Thomas/Wendenburg, Felix „Konfliktmanagement als Instrument werteorientierter Unternehmensführung“, Frankfurt (Oder)/Frankfurt (Main) 2013; Insam, Alexander/Lichtenauer, Bernd/Poirer, Anne-Catherine/Sochar, Christoph „Best Practice, Konflikt(kosten)-Management 2012 – Der wahre Wert der Mediation“ Düsseldorf 2012 (KPMG-Konfliktkostenstudie II), http://www.dzkk.de/PDF/konfliktkosten-management2012.pdf (Stand 26.09.2021)
Insam, Alexander/Achterholt, Uwe/Reimann, Andreas „Konfliktkostenstudie – Die Kosten durch Reibungsverluste in Industrieunternehmen“ Frankfurt am Main 2009, https://kpmg-law.de/content/uploads/2018/07/2009_Konfliktkosten_Reibungsverluste_in_Unternehmen.pdf (Stand 26.09.2021)
[2] Vgl. dazu auch Christine Susanne Rabe/Martin Wode „Arbeitsplatzerhaltende Mediation als Aufgabe der Verwaltung“ in Johanna Groß (Hrsg.) „Soziologie für den öffentlichen Dienst II“ Maximilian Verlag Hamburg 2019, S. 278 – 300.
[3] Der konkrete Projektablaufplan ist abgedruckt bei: Christine Susanne Rabe/Martin Wode, a.a.O. S. 292.
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