ABGE COP PELT? Weshalb mediative Methoden dem Klimaschutz zuträglich sein könnten …
Die 26. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen (COP ) fand Ende 2021 in Glasgow statt. Carl-Georg Luft nahm als Vorstandsvorsitzender der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen an der Konferenz teil. Gemeinsam mit Marc-A. Nicolas Hermann verfasste er den nachstehenden Beitrag zum Thema „Climate Change Dispute Resolution“. Die beiden Autoren beleuchten die potentiell tiefgreifenden Veränderungen infolge des Klimawandels und wie mediative Methoden dem Klimaschutz zuträglich sein könnten. (Foto: 26. Weltklimakonferenz Glasgow, Carl-Georg Luft)

Kritischer Kontext
Der im Februar dieses Jahres veröffentlichte Sachstandsbericht des Weltklimarats identifiziert auf 3.675 Seiten 127 Schlüsselrisiken für das Erdsystem, die infolge des Klimawandels Ökosysteme und Populationen, inklusive der menschlichen, kurz-, mittel-, wie langfristig bedrohen. Die Abhandlung offenbart, welch irreversible Schäden eine – auch nur kurzzeitige – Überschreitung der gesetzten Erwärmungsgrenzwerte der Erde zufügen könnte.
Tiefgreifende Veränderungen der Ökosystemstruktur sowie Verschiebungen des Artenspektrums und der phänologischen Jahreszeiten zögen demnach in weiten Teilen des Planeten unter anderem die Verknappung von Wasser und Nahrungsmitteln, die Ausbreitung von Infektionskrankheiten und die Zerstörung wesentlicher Infrastrukturen nach sich. Um derartige Folgen abzuwenden und die globale Erderwärmung zum Ende des Jahrhunderts auf möglichst 1,5 Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau einzudämmen, trafen die 197 Vertragsparteien auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris 2015 ein Übereinkommen, das bis dato 191 Vertragsparteien ratifizierten.
Dessen Absicht ist es, (i) Klimaschäden und -verluste durch Minderung der Treibhausgasemissionen und Lenkung von Finanzströmen abzuwenden und (ii) die Klimaresistenz durch eine beschleunigte Anpassung der betroffenen Regionen an die sich rasch verändernde Rahmenbedingungen zu steigern. Die gesetzten Kohlenstoffdioxidminderungs- und Anpassungsziele sollen durch nationale Klimaschutzbeiträge, die die Vertragsstaaten selbst festlegen und deren Einfluss regelmäßig, das heißt alle fünf Jahre, zu überprüfen ist, erreicht werden.
Als „[…] anspruchsvolles Klimaregime mit universeller Geltung und völkerrechtlichen Pflichten für alle Staaten“[1] stellt das Abkommen der 21. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (COP) gewiss eine Zäsur dar, dessen Erfolg oder Misserfolg jedoch von den seither ergriffenen Maßnahmen abhängt. Daher befassten sich Vertreter:innen von Regierungen, Gebietskörperschaften, Unternehmungen und Nichtregierungsorganisationen auf der im November 2021 abgehaltenen 26. COP in Glasgow unter anderem
(i) der Aktualisierung der nationalen Klimaschutzbeiträge zur Erreichung der Klimaschutzziele für das Jahr 2030,
(ii) der Ausarbeitung von Finanzierungsplänen zum Aufbau widerstandsfähiger Infrastrukturen,
(iii) der Mobilisierung öffentlichen und privaten Kapitals zwecks Finanzierung der grünen Transformation, und
(iv) der Fertigstellung des Pariser Regelwerks, um die Einhaltung der angekündigten Klimaschutzbeiträge nachvollziehen und künftig ambitioniertere Klimaschutzzielsetzungen aushandeln zu können.[2]

Konfliktäre Konferenz
Die Vertragsparteien trafen auf der 26. COP verbindliche Vereinbarungen, beispielsweise hinsichtlich internationaler Marktmechanismen und deren Anrechenbarkeit, und brachten überdies nachdrücklich einigen Bitten vor. Solche Aufforderungen offenbaren zugleich die Konfliktlinien, mit denen sich die Nationen in Glasgow konfrontiert sahen. So misslang eine kollektive, verpflichtende Verständigung (i) auf konsistente Zeiträume für nationale Klimaschutzziele, was ihre Vergleichbarkeit erschwert, (ii) auf die Vorverlegung der Klimaschutzbeitragsspezifizierung um drei Jahre, die für die angestrebte Klimaneutralität erkennbar notwendig erscheint, (iii) auf die Aufstockung der versprochenen Anpassungsfinanzmittel für Entwicklungsländer, und (iv) auf „[…] Bemühungen um den schrittweisen Abbau der ungebremsten Kohleverstromung und den Ausstieg aus ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe zu beschleunigen“[3].
Die Leiterin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, Patricia Espinosa, bezeichnete folglich die Resultate der 26. COP als Brücke zwischen guten Absichten und messbaren Handlungen, als Brücke zwischen den vortrefflichen Versprechungen der Weltgemeinschaft und ihrer konkreten Maßnahmen, die sich aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten und die Gesellschaften rund um den Globus verlangen, und letztlich als Brücke, die Wegbereiter einer geschichtsträchtigen Transformation ist.[4] Zu bezweifeln ist indes die Belastbarkeit dieser Brücke, insbesondere bei näherer Betrachtung der Partikularinteressen der Vertragsparteien, die die Gefahr einer – zumindest zeitweiligen – Abkoppelung der nationalen Klimaschutzbeiträge von den internationalen Klimaschutzzielen in sich birgt.
Das Klima – die Atmosphäre – konstituiert ein global öffentliches Gut, das von jedermann und jeder Nation simultan konsumiert werden kann. Der öffentliche Charakter des Klimas ergibt sich auch aus dem Verständnis der Vertragsparteien, die jegliche Veränderungen des Klimas und die damit verbundenen Nachteile gar als gemeinsames Anliegen der Menschheit begreifen.[5] Hierdurch begründet die Weltgemeinschaft nicht nur ein legitimes Interesse am Klimaschutz, sondern auch eine erga omnes Pflicht zum Klimaschutz, mit der bei Pflichtverletzung eine Klagebefugnis einhergeht, die weniger bedeutsam als die Durchsetzungsmechanismen der COP anzusehen ist.[6] Letztgenannte scheinen zumindest in Einzelfällen eine Abweichung von der strikten Einhaltung des einstimmigen Konsensprinzips zu ermöglichen.[7] Ungeachtet dessen besteht die spieltehoretische Grundproblematik fort: Ohne ein funktionierendes System zur Erfüllungskontrolle wird kein Nash-Gleichgewicht erreichbar sein, sodass die Nichteinhaltung der Klimaschutzabsprachen durch eine Vertragspartei oder eine Gruppe von Vertragsparteien überproportional stark zu sanktionieren ist, wobei das Sanktionsinstrument im Vorhinein nicht bekannt sein sollte.[8] Der letztgenannte Umstand im Falle der Klimakonferenz der Vereinten Nationen nicht gewährleisten. Selbst wenn die Geheimhaltung der Regimemechanismen, die bei einer Defektion zur Anwendung kommen, gelänge, birgt die Ex-post-Sanktionierung der Vertragsuntreue einer Vertragspartei bei wiederholten Spielen, wie den Klimakonferenzen, die Gefahr einiger Nachteile. Denn eine Grim-Trigger- oder eine Tit-for-Tat-Strategie scheinen angesichts der engen Zeitpläne für die Begrenzung der Treibhausgasemissionen weder verantwortbar noch durchführbar. Daher könnten Ex-ante-Mechanismen, wie mediative Mittel und Methoden, besondere Bedeutung erlangen – auch abseits der COP.

Konfliktärer Klimawandel

Konfliktfelder:
Mit Blick auf einen möglichen Nutzen mediativer Mittel und Methoden zur Bekämpfung der mit der globalen Erwärmung einhergehenden Bedrohungen für Mensch und Umwelt, sollen zunächst einige bestehende und drohende Konfliktfelder im Kontext des Klimawandels aufgezeigt werden: [9]

  • Rückgang landwirtschaftlich nutzbarer Flächen
  • Verlust der Ernährungssicherheit: Die durch den Klimawandel bedingten geringeren Niederschläge und steigenden Meeresspiegel und der damit einhergehende Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion führt zu Engpässen bei der Versorgung mit Lebensmitteln, zu steigenden Lebensmittelpreisen und Hungersnöten
  • Verlust bewohnbarer Flächen in Küstenzonen und Inselregionen: Der Klimawandel und der damit einhergehende Anstieg des Meeresspiegels bedroht zunehmend tiefer liegende Küstenzonen wie Deltas oder Sandküsten, die sich zumeist durch eine hohe Bevölkerungsdichte auszeichnen
  • Austrocknen von Binnengewässern
  • Trinkwassermangel
  • Wüstenbildung
  • Zunahme von Extremwetterereignissen
  • Bedrohung und Veränderung regionaler Ökosysteme.

Diese Auswirkungen des Klimawandels stellen jedoch nicht nur eine Bedrohung für Umwelt und Natur dar, sondern erweisen sich darüber hinaus auch als ernsthafte Gefahr für das menschliche Zusammenleben und den Bestand sozialer Ordnungen.[10] So haben vorangegangene Studien in diesem Zusammenhang insbesondere die folgenden Konfliktfelder identifiziert:[11]

  • Wettbewerb um Ressourcen und nutzbares Land
  • Zivile Unruhen, innerstaatliche Gewaltkonflikte und Bürgerkriege
  • Fragile Staatlichkeit
  • Zwischenstaatliche Konflikte
  • Zunehmende Ungleichheit zwischen Besitzenden und den Nichtbesitzenden
  • Umwelt und Klimafluchtbewegungen.

Climate Change Dispute Resolution und hybride ADR-Tools:
Der Klimawandel stellt somit einen bestehenden und zukünftig wachsenden Streitmultiplikator dar,  wobei als Anwendungsfelder für ADR-Tools gegenwärtig insbesondere Konflikte bezüglich der aus dem Klimawandel resultierenden wirtschaftlichen Schäden sowie Konflikte über die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, zu nennen sind.[12] Als Ex-ante-Mechanismen im Sinne einer „Climate Change Dispute Resolution“ kommen somit insbesondere folgende ADR-Tools in Betracht:[13]

  • Conflict Assesment: Frühzeitige Identifizierung von Problemen, Einbindung von Stakeholdern und Evaluieren potentieller Lösungsansätze
  • Interest-Based Negotiation: Führung von Verhandlungen zwischen betroffenen Gruppen oder Einzelpersonen zur Identifikation der jeweiligen Interessen
  • Negotiated Rulemaking: Führen von Verhandlungen zwischen den Stakeholdern zwecks gemeinsamer Formulierung von Umweltvorschriften
  • Policy Dialogues: Ausrichten von Diskussionsrunden mit unterschiedlichen Interessensgruppen zur Förderung eines gegenseitigen Verständnisses
  • Schiedsgerichtsbarkeit: Im Sinne einer Anhörung von Fakten und Argumenten der Parteien durch einen Dritten, wobei diese autorisiert ist eine verbindliche oder unverbindliche Entscheidung zu fällen.

Climate Change Dispute Resolution und mediative Tools:
Mediation ist nicht für jeden Konfliktfall und nicht für jede Konfliktpartei geeignet. Jedoch zeigen Fallstudien und Analysen,[14] dass sich mediative Verfahren und Tools insbesondere bei der Beilegung von Konflikten über Luftqualitätsstandards, Holzeinschlag, Artenschutz oder die Wiederherstellung von Ökosystemen, als nützlich erwiesen und Konsensvereinbarungen zwischen unterschiedlichen Akteuren und Interessensgruppen ermöglichten, wobei sich Einsatzfelder sowohl auf staatlicher und grenzüberschreitender, als auch auf regionaler und lokaler Ebene ergaben.[15] Mediation könnte somit einen Beitrag zum unabdingbaren Klimaschutz leisten. Denn ein abschreckendes Beispiel für die drohenden Konsequenzen einer anhaltenden Verletzung ökosystemarer Grundregeln stellt der Niedergang der Hochkultur auf den Osterinseln mit ihren kolossalen Steinstatuen und Zeremonialanlagen dar. Obschon diese These in der Literatur nicht unumstritten ist, bleibt die Einsicht, dass Raubbau und Ressourcenkollaps zu einer existenziellen Gefährdung von Gesellschaften führen können.[16]

Über die Verfasser:

Carl-Georg Luft ist UNFCCC Beobachter und nahm als Vorstandsvorsitzender der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen an der 26. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Glasgow teil.

Marc-A. Nicolas Hermann ist Mitglied des Redaktionsteams des JbM und befasst sich schwerpunktmäßig mit zeit- und ortsübergreifenden mediativen Stufen- und Hybridverfahren.

[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022): Abkommen von Paris. Abrufbar via: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-abkommen-von-paris.html
[2] UN Climate Change Conference 2021 (2022): What do we need to achieve at COP26?. Abrufbar via: https://ukcop26.org/cop26-goals/
[3] UN Climate Change Conference 2021 (2021): Decision -/CP.26 – Glasgow Climate Pact. Abrufbar via: https://unfccc.int/sites/default/files/resource/cop26_auv_2f_cover_decision.pdf
[4] UN Climate Change Conference 2021 (2022): Statement von Patricia Espinosa vom 13. November 2021 ‘At COP26, Parties Built a Bridge’. Abrufbar via: https://unfccc.int/news/at-cop26-parties-built-a-bridge-patricia-espinosa
[5] UN (1992): United Nations Framework Convention on Climate Change. Abrufbar via: https://unfccc.int/resource/docs/convkp/conveng.pdf. In der deutschen Übersetzung wird lediglich davon gesprochen, dass Änderungen des Erdklimas und ihre nachteiligen Auswirkungen die ganze Menschheit mit Sorge erfüllen.
[6] Birnie, P., A. Boyle, C. Redgwell (2009): International Law and the Environment. 3. Auflage. Oxford University Press.; Moeckli, D. (2015): Das Klima als globales öffentliches Gut. In: Polis und Kosmopolis (Hrsg G. Biaggini, O. Diggelmann, C. Kaufmann).
[7] Moeckli, D. (2015): Das Klima als globales öffentliches Gut. In: Polis und Kosmopolis (Hrsg G. Biaggini, O. Diggelmann, C. Kaufmann).
[8] Nirwan, Y., Y. Reddy und R. Rajeev (2021): ‘Developing Glasgow Accord for COP-26 Using Game Theory’. Journal of Climate Change, 7 (3): 1-8.
[9] Danish Insitute for International Studies DIIS Report (2012): Addressing Climate Change and Conflict Development Cooperation. Abrufbar via: https://www.diis.dk/files/media/publications/import/extra/rp2012-04-addressing-climate-change_web.jpg_1.pdf; International Institute for Sustainable Development (2009): Climate Change and Security in Africa: A Study for the Nordic-African Foreign Ministers Meeting. Abrufbar via: https://www.iisd.org/system/files/publications/climate_change_security_africa.pdf
[10] Welzer, H. (2010): Klimakriege. 2. Auflage. Fischer; Barnett, J. und Adger, W. (2007): Climate Change, Human Security and Violent Conflict. Political Geography, 26: 639-655.
[11] International Institute for Sustainable Development (2009): Climate Change and Security in Africa: A Study for the Nordic-African Foreign Ministers Meeting. Abrufbar via: https://www.iisd.org/system/files/publications/climate_change_security_africa.pdf; Brockhaus, M. und Rischkowsky B. (2003): Mediation in a Changing Landscape: Success and Failure in Managing Conflicts over Natural Resources in South-West Burkina Faso. Drylands Issue Paper, E125 IIED London.
[12] Hammes, M. (2021): Klimaerwärmung – Wachstumsfeld für Klimaklagen. DisputeResolution, 3: 3-6; Danish Insitute for International Studies DIIS Report (2012): Addressing Climate Change and Conflict Development Cooperation. Abrufbar via: https://www.diis.dk/files/media/publications/import/extra/rp2012-04-addressing-climate-change_web.jpg_1.pdf.
[13] Danish Insitute for International Studies DIIS Report (2012): Addressing Climate Change and Conflict Development Cooperation. Abrufbar via: https://www.diis.dk/files/media/publications/import/extra/rp2012-04-addressing-climate-change_web.jpg_1.pdf.
[14] Knaster, A. (2010): Resolving Conflicts Over Climate Change Solutions: Making the Case for Mediation. Peperdine Dispute Resolution Law Journal, 10 (3): 465-521; International Chamber of Commerce (2019): ICC Commission Report: Resolving Climate Change Related Disputes through Arbitration and ADR. Abrufbar via: https://iccwbo.org/content/uploads/sites/3/2019/11/icc-arbitration-adr-commission-report-on-resolving-climate-change-related-disputes-english-version.pdf
[15] Knaster, A. (2010): Resolving Conflicts Over Climate Change Solutions: Making the Case for Mediation. Peperdine Dispute Resolution Law Journal, 10 (3): 465-521.
[16] Herrmann, B. (2016): Umweltgeschichte: Eine Einführung in Grundbegriffe. 2. Auflage. Springer.