Beschäftigte nehmen in ihrer alltäglichen Arbeitswelt gravierende Missstände oft frühzeitig wahr. Ihr Engagement kann dafür sorgen, dass Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht und verfolgt werden. „Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen daher Schutz vor Benachteiligungen, die ihnen wegen ihrer Meldung drohen und sie davon abschrecken können“, so der Wortlaut des aktuellen Referentenentwurfs. Das Bundesjustizministerium hat am 13. April den Referentenentwurf für ein „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“, die sogenannte Whistleblower-Richtlinie, veröffentlicht.
Ziel ist es, den mangelnden Schutz von hinweisgebenden Personen auszubauen und die Richtlinie (EU) 2019/1937 in nationales Recht (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) umzusetzen. Gleichzeitig werden Unternehmen und die öffentliche Verwaltung „zum Ergreifen von Hinweisgeberschutzmaßnahmen verpflichtet“. Das heißt, entsprechende Meldestellen sind einzurichten bzw. externe Dritte, wie Ombudspersonen, damit zu beauftragen.

Hinweisgeberschutzgesetz schützt Whistleblower vor Benachteiligungen

Für hinweisgebende Personen, auch Whistleblower genannt, sollen in Behörden und Unternehmen sowohl interne als auch externe Meldekanäle eingerichtet werden, zwischen denen frei gewählt werden kann (§§ 7 bis 31 HinSchG). Das Hinweisgeberschutzgesetz soll hinweisgebende Personen möglichst umfangreich vor Benachteiligungen, wie Repressalien oder Kündigung, schützen (§§ 33 bis 39 HinSchG). Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es, ihnen Rechtssicherheit zu geben.
Auch die Identität Dritter wird durch das neue Gesetz geschützt. Das können beispielsweise Kolleginnen und Kollegen oder auch Vorgesetzte sein, die ebenfalls Verstöße beobachtet haben und im weiteren Verfahren eine wichtige Rolle spielen können. Eine Einflussnahme auf potentielle Zeuginnen und Zeugen, aber auch falsche Verdächtigungen und Verleumdungen sollen so verhindert werden.

Neue Meldestellen: Ombudspersonen können beauftragt werden

Zur Etablierung der verpflichtenden, neuen Meldestellen nennt der Referentenentwurf eine Bandbreite an Umsetzungsmöglichkeiten: So können externe Fachleute, wie Ombudspersonen, mit dem Betreiben der internen Meldestelle beauftragt werden, wie es in der Praxis bereits gehandhabt wird. Mögliche Lösungen sind aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Doppelfunktion und mit entsprechender Schulung (kleinere Unternehmen), Leiterinnen oder Leiter der Compliance-Abteilung, Integritätsbeauftragte, Rechts- oder Datenschutzbeauftragte …
Wie die Ausgestaltung im Einzelfall auch aussehen mag, wichtig ist, dass die gesetzlichen Vorgaben vor allem in Bezug auf die Vertraulichkeit und Unabhängigkeit der jeweiligen Meldestellen eingehalten werden.
Auch Bund und Länder sind gefordert: Die neuen Regelungen verlangen ebenfalls die Einrichtung von internen Meldestellen in den jeweiligen Behörden und Verwaltungsstellen. Zugleich werden auf Bundesebene externe Meldekanäle etabliert.

Pflegerin zog vor Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Hintergrund des Hinweisgeberschutzgesetzes ist die Zivilcourage einer Pflegerin: Im Jahr 2003 hatte eine Pflegerin in einem Pflegeheim mehrfach Personalnotstände und unhaltbare Pflegezustände zunächst bei ihrem Arbeitgeber und schließlich bei der Heimaufsicht angezeigt. Da der Arbeitgeber keine Maßnahmen gegen die gravierenden Mängel ergriff, erstattete die Pflegerin wegen Betrugs Strafanzeige gegen die verantwortlichen Personen. Die Staatsanwaltschaft stellte damals das Verfahren ein und in der Folge wurde der Pflegerin von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Diese Kündigung hielt auch einer arbeitsgerichtlichen Prüfung stand.
Erst acht Jahre später wendete sich das Blatt: Im Juli 2011 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall von Pflegerin Heinisch, dass eine Verletzung von Artikel 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorlag. Der Gerichtshof hat in seiner Grundsatzentscheidung (EGMR, Urteil vom 21.07.2011 – 28274/08 [Heinisch/ Deutschland], NZA 2011, S. 1269, Rn. 61 ff.) auch Feststellungen für die Abwägung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen getroffen. Der EGMR bestätigte die Pflicht des Arbeitnehmers zu Loyalität und Vertraulichkeit gegenüber seinem Arbeitgeber, sah aber den Gang an die Öffentlichkeit als „letztes Mittel“ nach stets erfolglosen Meldungen, die gravierenden Mängel in der Pflegeeinrichtung aufzudecken. Der Fall Heinisch führte vor Augen, wie notwendig klare, gesetzliche Regelungen für hinweisgebende Personen sind.

Auf 112 Seiten erläutert der Referentenentwurf ausgewählte Missstände europäischer Tragweite, wie die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, bis hin zum Schutz der Privatsphäre jedes Einzelnen, beispielsweise vor unzumutbaren Belästigungen durch Werbung mittels Telefonanrufen oder automatischen Anrufmaschinen mit falscher Rufnummeranzeige, um nur wenige der aufgeführten Beispiele zu nennen.

Quelle: Bundesministerium der Justiz, aktuelle Gesetzgebungsverfahren: Referentenentwurf zu „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG), veröffentlicht am 13. April 2022.