In dem Blog „Mediation“ der Harvard Law School wendet sich James Kerwin, Assistant Director, direkt an Teilnehmende von Mediationen und ermutigt sie, in einen aktiven Austausch mit den Mediatorenteams zu gehen. In seinem Blog-Beitrag beschreibt James Kerwin, dass dies besonders von Vorteil sei, wenn das Verfahren aufgrund hitziger Debatten in eine Shuttle-Mediation übergegangen sei und Vorschläge sowie Gegenvorschlägen an die getrennten Kontrahenten herangetragen würden. „The mediator will want to know what settlement terms you’d find acceptable”, so Kerwin. Mit dieser Aufforderung sei der Zeitpunkt für die Geschädigten gekommen, besonders aktiv zu werden.
Um Shuttle-Mediationen vorteilhaft zu beeinflussen, gibt er folgende Tipps:

  1. Solicit the mediator’s opinion.
  2. Give the mediator your great ideas.
  3. Take a reality test.

Tipp I: Holen Sie die Mediatoren-Meinung ein 
Im beschriebenen Streitfall beläuft sich die Schadensforderung auf 10 Millionen Dollar, die ein Computerhersteller dem geschädigten Unternehmen zahlen soll. Kerwin empfiehlt, in der frühen Phase der Shuttle-Mediation das Mediatorenteam, um eine Einschätzung der Erfolgsaussichten zu bitten. Diese Taktik helfe, die eigenen Vorstellungen erneut zu überprüfen. Ein Vorteil sei aber auch: „This tactic  […] also takes advantage of the mediator’s knowledge of the other side’s interests.” Diese Herangehensweise könne zusätzliche Informationen über die Interessen der Gegenseite bringen.
Im vorliegenden Fall verfolgen die Geschädigten die Strategie, zunächst 10 Millionen Dollar vom Computerhersteller zu fordern, um eventuell schrittweise auf 2 Millionen zu reduzieren. Anstatt das Mediatorenteam zu bitten, der Gegenseite das hohe Angebot zu übermitteln, solle man fragen, wie die Mediatoren-Meinung dazu sei. Die Antwort: Nach ihrer Einschätzung halte der Computerhersteller eine Forderung von 10 Millionen Dollar für „outrageous“. Wenn man mit 7,5 Millionen einsteige, könnten sie als Mediatoren auf den beträchtlichen Betrag hinweisen, um den die Ansprüche reduziert worden seien und den guten Willen hervorheben – das Mediatorenteam als Fürsprecher für die Interessen der Geschädigten …

Tipp II: Teilen Sie großartige Ideen mit
Der zweite Ratschlag bezieht sich darauf, wenn die Gespräche erneut eskalieren sollten. Dann reagierten beide Streitparteien sofort skeptisch auf die Vorschläge der anderen Seite. Psychologen bezeichneten dies als „reactive devaluation“ (reaktive Abwertung). „Your mediator can help you overcome this barrier“.
Die Geschädigten sollten in die Mediatorengespräche neue Ideen einbringen, beispielsweise die Spende der Laptops an Schulen. Die Geräte seien für den Unternehmenseinsatz zu wenig robust, aber für den Unterricht durchaus sinnvoll. Dies könne eine gute Werbung für beide Unternehmen sein. Anstatt das Risiko einzugehen, dass der Computerhersteller die Idee reaktiv abwerte, und vorausgesetzt, dass die Mediatoren die Idee für fair hielten, schlägt Kerwin vor: „Suggest to the mediator that he propose it as his own idea.“ Dies würde die Idee so präsentieren, dass die Skepsis der Gegenseite minimiert würde.

Tipp III: Machen Sie einen Realitätstest
Manchmal erweisen sich unrealistische Ansichten der eigenen Teammitglieder als Lösungshindernis. Hier empfiehlt Kerwin, ebenfalls die Mediatoren einzubeziehen: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Gegenseite nachgibt bzw. wir vor Gericht gewinnen können?“ Die Teammitglieder neigten dazu, den Mediatoren besondere Urteilskraft einzuräumen.

Quelle: Blog „Mediation“, Harvard Law School, 8. August 2022, abrufbar unter How Mediation Works When Both Parties Agree They Need Help Resolving the Dispute – PON – Program on Negotiation at Harvard Law School