Wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine sind verschiedene Sanktionspakete gegen Russland verhängt worden. Das hat weitweite Auswirkungen auf Lieferketten und Wirtschaftsbeziehungen. Insbesondere Unternehmen, die in der Vergangenheit vertragsrechtliche Pflichten gegenüber russischen Wirtschaftspartnern eingegangen sind, dürfen wegen der sanktionsrechtlichen Bestimmungen ihre Verträge nicht mehr bedienen. Dies kann für sie immense Forderungen und Schadensersatzklagen von russischer Seite bedeuten.
Gulnara Kalmbach und Imane El Karouia-Tizi (PricewaterhouseCoopers GmbH, Frankfurt) beschreiben in der aktuellen Ausgabe von DisputeResolution in ihrem Beitrag „Krisenmanagement – Wie sich Unternehmen auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereiten können“, und wie internationale Unternehmen auf solche Krisenfälle reagieren können. Wichtige Bausteine sind u. a. ein etabliertes Konfliktmanagement und Ausstiegsklauseln aus vertraglichen Verpflichtungen bei nicht vorhersehbaren Ereignissen.

Die Force-majeure-Klausel als Ausstieg aus Verpflichtungen?
Da kein „Totalembargo“ verhängt wurde, seien Unternehmen gehalten, die Geschäftsbeziehungen mit russischen Kunden in sanktionsrechtlicher Hinsicht einzeln zu prüfen – so ist in dem DisputeResolution-Beitrag zu lesen.
In vielen internationalen Verträgen sei eine sogenannte Force-majeure-Klausel verankert, die Vertragsparteien bei unvorhersehbaren Ereignissen von ihren vertraglichen Pflichten befreit. Auch Krieg sei ein Ereignis, das unter höherer Gewalt eingeordnet werden könne. Die Zerstörung der Produktionsstätte, das Abschneiden von Transportwegen oder die Zugangsverwehrung für Mitarbeiter seien beispielsweise Umstände, die eine Produktion und Lieferung unmöglich machen könnten.

Völkerrechtlicher Investitionsförderungs- und -schutzvertrag
Aufgrund der Sanktionen droht Russland wiederum mit der Enteignung von Betriebsstätten. Der völkerrechtliche, bilaterale Investitionsförderungs- und -schutzvertrag (IFV) regelt den Schutz gegenseitiger Kapitalanlagen.
„Gemäß IFV haben deutsche Unternehmen grundsätzlich die Möglichkeit, vor einem internationalen Schiedsgericht Klage gegen eine Enteignung einzureichen (Art. 10 IFV).“ Die Erfolgsaussichten einer Schiedsklage seien jedoch zweifelhaft, wie der Streit zwischen dem Ölkonzern Yukos und dem russischen Staat zeige, der den Ölkonzern vor 16 Jahren enteignete: Die Altaktionäre des Konzerns bekamen im Jahr 2020 vor dem internationalen Schiedsgericht in Den Haag 50 Milliarden US-Dollar an Schadensersatz zugesprochen. Pfändungsversuche russischen Staatseigentums blieben bisher allerdings erfolglos.

Wie können sich Unternehmen besser rüsten?
Wichtig sei es, bei der Schließung eines Vertrags essentielle Bestimmungen aufzunehmen:
– Dazu gehöre die Force-majeure-Klausel, die sehr spezifisch formuliert sein müsse.
– Auch eine sogenannte „Sanktionsklausel“ könne einen Ausstieg aus einem Vertragsverhältnis und die geschuldete Leistung festlegen.
– Darüber hinaus könne ein Versicherungsschutz für politische Risiken erwogen werden.
– Dringend empfohlen wird auch, einen Konfliktmanagementplan auszuarbeiten, der einen Fahrplan für die Maßnahmen im Krisenfall bieten könne.

In der aktuellen Ausgabe von DisputeResolution ist auch der Beitrag „Lieferketten in der Krise“ von Dr. Judith Schacherreiter, Knoetzl Wien, erschienen, der sich ebenfalls mit den Auswirkungen des Ukrainekrieges auf international agierende Unternehmen beschäftigt, beispielsweise mit der Haftung und Risikoverteilung bezüglich internationaler Geschäftsbeziehungen. Judith Schacherreiter geht auch auf die Force-majeure-Klausel ein.

Online-Magazin „DisputeResolution“
Das Online-Magazin „DisputeResolution“ ist eine Gemeinschaftspublikation der Frankfurt Business Media GmbH und dem juristischen Fachverlag German Law Publishers. Zur „Produktfamilie“ gehört auch der Deutsche AnwaltSpiegel. „DisputeResolution“ erscheint quartalsweise (nächster Termin 21. September 2022) und wird an Abonnenten kostenfrei als PDF versandt.

Quelle:
Gulnara Kalmbach, Imane El Karouia-Tizi : „Krisenmanagement – Wie sich Unternehmen auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereiten können“, DisputeResolution – Deutscher AnwaltSpiegel Ausgabe 02-2022, Juni 2022;
Dr. Judith Schacherreiter: „Lieferketten in der Krise – Risikoverteilung und Haftung bei internationalen Warenkaufverträgen im Gefolge von Pandemie und Krieg“, DisputeResolution – Deutscher AnwaltSpiegel Ausgabe 02-2022, Juni 2022.