Die Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM) zieht in ihrer Jubiläumsausgabe zum 25-jährigen Bestehen eine Zwischenbilanz zur Mediation in Deutschland. Namhafte Autorinnen und Autoren zeichnen dabei ein gemischtes Bild.
Nachfrage wurde wenig gefördert
Eine eher ernüchternde Einschätzung gibt Prof. Dr. Reinhard Greger, der in seinem Beitrag die Frage „25 Jahre – und kein Stückchen weiter?“ stellt. Sein Eindruck ist, dass Deutschland bei der Implementierung der Mediation in das Konfliktbehandlungs- und Rechtssystem nicht ausreichend weitergekommen sei. „In diesen fast 25 Jahren hätte mehr geschehen können – und ist in anderen Ländern auch mehr geschehen“, betont der ehemalige BGH-Richter und Lehrstuhlinhaber an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ein Grund sei, dass zu „wenig getan wurde, um die Nachfrage nach Mediation zu fördern“.
Metapher der Midlife-Crisis
Prof. Dr. Ulla Gläßer, LL.M. Professur für Mediation, Konfliktmanagement und Verfahrenslehre Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), spannt in ihrem Beitrag „Mediation in der Midlife-Crisis?“ den Bogen etwas weiter. Denn Prof. Ulla Gläßer erinnert auch an den Optimismus der 1980er Jahre. Als sich die Mediation in Deutschland in ihren Anfängen befand, standen überzeugte „Paten“ bereit, von denen viele die außergerichtliche Streitbeilegung bis heute begleitet haben. Ihre Publikationen zeugten von Faszination und Hoffnung.
Vierzig Jahre nach der systematischen Etablierung der Mediation zeigten sich die klassischen Symptome einer Midlife-Crisis: das „Gefühl von Stagnation, Verunsicherung, Enttäuschung oder sogar Frustration“. Auch sie teilt die Einschätzung von Greger, dass die Unzufriedenheit „insbesondere wegen der scheinbar ausbleibenden Expansion des Mediationsmarktes“ bestehe.
Wenig förderlich seien laut Gläßer die heftigen Kontroversen gewesen, die im Vorfeld des Mediationsgesetzes geführt wurden, beispielsweise zur gerichtsinternen Mediation oder den Ausbildungsvorgaben für Mediatorinnen und Mediatoren. Die „deutsche Mediationsszene“ sei damals nicht in der Lage gewesen, einen abgestimmten Regelungsvorschlag vorzulegen. So erhielt das Mediationsgesetz „erst durch den Vermittlungsausschuss seine aktuelle Form“. Auch der Bericht zur Evaluation des Mediationsgesetzes (2017) fiel ernüchternd aus: Trotz Mediationsgesetz seien die Mediationen auf einem „niedrigen Niveau“ und böten nur „geringe Verdienstmöglichkeiten“.
In der ZKM-Jubiläumsausgabe sticht die Wirtschaftsmediation positiv hervor. Denn im Gegensatz zur allgemeinen Entwicklung in Deutschland zeichnet der Beitrag von Prof. Dr. Jörg Risse „Zur Zukunft der Wirtschaftsmediation – Überlegungen in elf Aphorismen“ ein insgesamt spannendes Bild der Wirtschaftsmediation.
Weitere Fachartikel der ZKM-Jubiläumsausgabe:
Breidenbach, Stephan / Nesselhauf, Lea, Klimawende und ADR – am Beispiel GermanZero; Herrberg, Antje, Friedensmediation nach der Zeitenwende; Kirchhoff, Susanne / Zenk, Kati, 20 Jahre Gerichtsmediation – Blick zurück nach vorn; Krabbe, Heiner, Die Vorlaufphase der Mediation; Papier, Hans-Jürgen, Zugang zum Recht – gestern, heute und morgen; Röthemeyer, Peter / Engler, Karen, Gesellschaftliche Veränderungsprozesse, Mediation und Kommunikation; Schroeter, Kirsten, Innerbetriebliche Mediation: Erfolgsmodell mit Entwicklungsaufgaben.
Kostenloser ZKM-Download
Die Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM) beschäftigt sich im deutschsprachigen Raum mit dem Feld des alternativen Konfliktmanagements. Das Fachjournal ist interdisziplinär, berichtet über Grundfragen und neue Entwicklungen in der Mediation sowie Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung und hat dabei die Entwicklungen auf internationaler Ebene stets im Blick.
Kostenloser Download: ZKM-Jubiläumsausgabe „25 Jahre ZKM: Potenziale der Mediation nutzen“, www.centrale-fuer-mediation.de.
Quelle: Gläßer, Ulla, Mediation in der Midlife-Crisis? – eine Zwischenbilanz, ZKM 2022, 174-178; Greger, Reinhard, 25 Jahre – und kein Stückchen weiter?, ZKM 2022, 193-195; Risse, Jörg, Zur Zukunft der Wirtschaftsmediation – Überlegungen in elf Aphorismen, ZKM 2022, 179-182, in ZKM-Jubiläumsausgabe 05/2022, Verlag Dr. Otto Schmidt, 15. Oktober 2022.
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