Jüngst wurde der Vorwurf laut, dass in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig getan worden sei, um die allgemeine Nachfrage nach Mediation zu fördern. Diese ernüchternde Einschätzung teilen in der jüngst veröffentlichten Jubiläumsausgabe der Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM) namhafte Kenner der deutschen Mediationslandschaft.
Strebt man eine Verbesserung der Situation an, erscheinen vor allem niederschwellige Angebote zur Konfliktbeilegung für die Zukunft bedeutsam. Hier lohnt der Blick auf eine aktuelle Veröffentlichung der Neuen Züricher Zeitung (NZZ), die einen Umgang mit (fast humorvollem) Augenzwinkern erahnen lässt, wie das innerbetriebliche Konfliktmanagement bei DigitecGalaxus zeigt.
Unter dem Titel „Kämpfer für den Frieden in der Arbeitswelt: Wie Firmen Konflikte entschärfen und Streit schlichten“ beschreibt NZZ-Autorin Natalie Gratwohl u. a. folgende niederschwellige Konzepte:
– DigitecGalaxus: Konfliktmanagement des schweizerischen Online-Händlers mit „Jedi“, die im „Universum des Online-Händlers für Frieden“ sorgen und
– Wut oder Neugierde: rote oder grüne Zonen der Unternehmenskultur.

Konfliktmanagement mit Hilfe der „Jedi“ 
Das unternehmensinterne Konfliktmanagement bei Online-Händler DigitecGalaxus ist von Star Wars und Jedi-Rittern inspiriert – eine originelle und gleichermaßen erfolgreiche Idee.
Diese internen „Jedi“ qualifizieren sich durch entsprechende Fortbildungen. Im Konfliktfall führen sie mit den Streitparteien zuerst separate Vorgespräche. Bei den nachfolgenden gemeinsamen Sitzungen können sich die „Jedi“ auf einen Leitfaden stützen. Da viele Konflikte kleinere Streitereien darstellten, betont Rebekka Fricke, DigitecGalaxus, gegenüber der NZZ, würden diese meist mit Unterstützung der „Jedi“ beigelegt. Über die gelösten Konfliktfälle würden die Personalverantwortlichen in anonymisierter Weise informiert.
Schwerwiegende Konflikte werden an die „Jedi-Meisterin“, sprich die Personalabteilung des Online-Händlers, weitergeleitet. Beispiele sind systematisches Mobbing oder Belästigungen am Arbeitsplatz.

Wut oder Neugierde: rote oder grüne Zonen der Unternehmenskultur 
Jim Tamm unterteilt in rote und grüne Unternehmenskulturen. Bei roter Kultur werden die Verursacher, sprich Schuldigen, möglichst rasch gefunden und sanktioniert. Die Atmosphäre ist von Misstrauen, Konkurrenzverhalten bis zu Wutausbrüchen geprägt. Ansichten oder Ideen werden kaum eingebracht.
Grüne Firmenkulturen hingegen setzen auf Vertrauen und kooperative Umgangsformen. Die Atmosphäre gibt Raum für Offenheit und Neugierde, was auch für die Fehlerkultur gilt. Fehler bieten hier die Chance, aus ihnen für die Zukunft zu lernen.
Wie schnell diese einfachen Vorgaben – rote oder grüne Zonen – verinnerlicht werden, führt Tamm in folgendem Experiment vor Augen: Immer wenn die Teilnehmenden die Handlung eines Arbeitskollegen nicht nachvollziehen konnten, mussten sie für sich bewerten, ob sie sich gerade in der roten Zone befanden, weil Ärger und Unverständnis überwiegten. Für das Experiment war es wichtig, diese Gefühle aufzuschreiben.
Wer hinterfragte, warum Kollegen nicht nachvollziehbare Sichtweisen vertraten, konnte sich eindeutig der grünen Zone zuordnen.
Das Ergebnis war interessant: Am Anfang befanden sich die meisten im roten Bereich. Am Ende gelang es durch die einfache Zuordnung zu rot oder grün, ein kooperatives Miteinander im grünen Bereich zu fördern – und zwar weil verinnerlicht wurde, die Gefühlslage in schwierigen Situationen in Sekundenschnelle zu überdenken.
Fazit: Das niederschwellige Angebot in roter oder grüner Zone verhilft zu einem friedlicheren Umgang und zu einer positiven Firmenkultur.

Quellen: Natalie Gratwohl: „Kämpfer für den Frieden in der Arbeitswelt: Wie Firmen Konflikte entschärfen und Streit schlichten“, Neue Züricher Zeitung, 19.09.2022, aufgerufen am 10.11.2022; Zeitschrift für Konfliktmanagement, Jubiläumsausgabe „25 Jahre ZKM: Potenziale der Mediation nutzen“, Oktober 2022.