Das Jahr 2022 war von vielen Konflikten geprägt, wie dem Angriffskrieg auf die Ukraine, Menschenrechtsverletzungen in Katar oder China. Mit den Menschenrechten als Bestandteil der Weltordnung im systemischen Wettbewerb – vor allem mit China – hat sich der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestags im Dezember in einer Experten-Anhörung beschäftigt. Die meisten Sachverständigen betonten die „Universalität“ der Menschenrechte.
Globalisierte Welt und sich daraus ergebende Konflikte
So vertrat Sabine Fischer, Stiftung Wissenschaft und Politik, die Auffassung, dass die Systemkonkurrenz mit Russland und China nicht einseitig vom Westen herbeigeführt werde. Sie ergebe sich aus systemischen Unterschieden, der gegenseitigen Beeinflussung in einer globalisierten Welt und den sich daraus ergebenden Konflikten. Im Gegensatz zur Blockkonfrontation, wie zu Zeiten des Ost-West-Konflikts, bilde sich eine „Multipolarität“ in den internationalen Beziehungen aus, mit verschiedenen Akteuren: der erweiterte Westen einerseits und China mit Russland andererseits.
Welchen Einfluss die EU künftig in Osteuropa und Eurasien haben werde, entscheide vor allem der Ausgang des Ukrainekriegs, so Sabine Fischer. Eine Niederlage der Ukraine wäre ein „Katastrophe“, für das Bestreben, Demokratie und Menschenrechte zu stärken.
Menschenrechtsordnung chinesischer Prägung?
Eine Bedrohung durch autoritäre Regime sah auch Silke Voß-Kyeck, Deutsches Institut für Menschenrechte. Sie verwies auf Initiativen Russlands, international anerkannte Menschenrechtsstandards in Frage zu stellen. Hierbei agiere Russland als „Störer denn als Stratege, im Gegensatz etwa zum planvollen Vorgehen Chinas“. Im Rahmen der Vereinten Nationen (VN) versuche Peking immer offensiver, das VN-Menschenrechtssystem durch eine „institutionelle Menschenrechtsordnung chinesischer Prägung“ zu ersetzen. Angesichts dessen und der zahlreichen Krisen, gewaltsamen Konflikte und schweren Menschenrechtsverletzungen gelte es, durch eine Stärkung der Menschenrechtsinstitutionen etwas entgegen zu setzen. Diese Institutionen seien völlig unterfinanziert.
Universalitätsanspruch der Menschenrechte
Auf eine Stärkung internationaler und regionaler Menschenrechtsorganisationen, wie dem Europarat, drang auch Angelika Nußberger, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Köln, angesichts wachsender Tendenzen, die Menschenrechte zu relativieren. Ein „Revival des Kalten Krieges“ sah sie, wie auch Sabine Fischer, zwar nicht, jedoch eine „Systemauseinandersetzung“ bei den Menschenrechten. Gefährdet seien diese durch den „Kulturrelativismus“ autoritärer Staaten, die mit dem Verweis auf die nationale Identität deren Universalitätsanspruch in Frage stellten. Hier müsse man in „Theorie und Praxis“ gegenhalten, forderte Nußberger, bis 2020 Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), auch durch Sanktionen gegenüber Staaten, die Urteile des EGMR ignorierten.
Einteilung in gute und schlechte Staaten?
Die Menschenrechte dürften nicht genutzt werden, um die Welt in „gute und schlechte Staaten“ einzuteilen, mahnte Prof. Basak Cali, Internationales Recht an der Hertie School. Überall in der Welt kämpften Menschen für Menschenrechte, in China, im Iran und auch in Deutschland und den USA. Menschenrechtsstandards seien nicht fix, sie müssten immer wieder überprüft werden, so Prof. Cali mit Blick auf die Klimakrise oder Nutzung Künstlicher Intelligenz.
Heiner Bielefeldt, Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Universität Erlangen-Nürnberg, schließlich unterstrich das Potenzial der rechtsstaatlichen Demokratie, sich „kritisches Vertrauen zu erarbeiten“. Autokratien hätten dieses Potenzial nicht, müssten stattdessen ihren Bevölkerungen blindes Vertrauen abverlangen. Dass die Attraktivität der Menschenrechte trotz aller Angriffe „ungebrochen“ sei, zeige sich dieser Tage auf den Straßen im Iran und China.
Quelle: Experten betonen Universalität der Menschenrechte, hib – heute im bundestag Nr. 714, Dezember 2022.
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