Smartphones, Datenbanken und Projektmanagement-Software sind zu Werkzeugen geworden, die auch die Online-Streitbeilegung voranbringen können. Ein aktuelles Beispiel ist das Online-Portal „Recht ohne Streit“, das seit Januar 2023 in einer Testversion frei zugänglich ist. Auf „Recht ohne Streit“ können sich Konflikt-Betroffene mithilfe eines Computerprogramms, dem sogenannten Konfliktlotsen, umfänglich über die Möglichkeiten alternativer Streitbeilegung und über konkrete Konfliktfälle (Fallbeispiele) informieren.
Auch die Harvard Law School greift das Themenfeld Streitbeilegung via Online-Tools immer wieder auf. So berichtete Katherine Shonk erst Mitte Januar über die jahrelangen Bemühungen von Facebook, Methoden der Streitbeilegung im Cyberspace zu etablieren.
Interessant sind auch die Vorschläge von Alyson Carrel, Center on Negotiation and Mediation an der Northwestern Pritzker School of Law, und Prof. Noam Ebner, Creighton University. Die Entwicklung von Apps zur Organisationsunterstützung, Entscheidungshilfen per Datenanalyse-Tools oder Multisession-Mediation könnten dazu anregen, die Arbeit von Mediatorinnen und Mediatoren effizienter zu gestalten. Die Software und Online-Formate zur Verbesserung der Streitbeilegung via Internet sollten auf die verschiedensten Zielgruppen zugeschnitten sein.

Online-Portal „Recht ohne Streit“

Das neue Online-Portal „Recht ohne Streit“, das seit kurzem als Testversion (www.rechtohnestreit.de) zur Verfügung steht, will Konflikte lösen, ohne den Streit vor einem Gericht austragen zu müssen. Interessierte, die von einem zivilrechtlichen Streitfall betroffen sind, können sich auf dem neuen Online-Portal über Alternativen der Konfliktbeilegung informieren und eine geeignete Methode, wie Moderation, Mediation oder Schlichtung, für ihren konkreten Konfliktfall finden. Andererseits will das Portal die Nutzer auch dazu anregen, sich darüber klar zu werden, was ihnen neben den rechtlichen Aspekten tatsächlich wichtig ist, um zu einer zufriedenstellenden Lösung zu gelangen. Der „Konfliktlotse“ wertet die persönlichen Nutzer-Angaben aus und empfiehlt konkrete Handlungswege. Fallbeispiele geben Orientierung für eine individuelle Entscheidung.
„Recht ohne Streit“ ist ein Forschungsprojekt, das von Wissenschaftlern ehrenamtlich entwickelt wurde. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe steht unter Federführung von Prof. i.R. Dr. Reinhard Greger (Universität Erlangen-Nürnberg).

Welche Tools können Mediation zukünftig verbessern?

Wenn das Mediationsfeld die Auswirkungen der digitalen Technologie nicht ernsthaft berücksichtige, könne die nächste Generation von Mediationsparteien, Praktikern und Wissenschaftlern verloren gehen, warnen Alyson Carrel, Center on Negotiation and Mediation an der Northwestern Pritzker School of Law, und Prof. Noam Ebner, Creighton University. Carrel und Ebner schlagen einige aus ihrer Sicht zu wenig genutzte Tools vor.
Apps zur Organisationsunterstützung:
Für Mediatorinnen und Mediatoren wären Apps hilfreich, die wichtige Aufgaben zentralisieren, wie auf Formulare und Checklisten zugreifen, Mediationstechniken überprüfen, Daten analysieren, Meetings planen. Die Klienten würden auch von der App profitieren, wenn Informationen des Konfliktfalls oder auch Best Practices für Verhandlungen hinterlegt seien.
Entscheidungshilfen:
Software zur Entscheidungsfindung ermögliche es den Parteien, ihre Präferenzen zu Optionen zu quantifizieren. Software könne Spannungen deeskalieren, indem Schäden oder andere umstrittene Zahlen berechnet würden. Parteien könnten ihre Interessen auch in eine Software einfließen lassen, die Kompromisse vorschlage.
Zusammenarbeit zwischen den Sitzungen:
In der Multisession-Mediation könne Technologie dabei helfen, zwischen den Sitzungen voranzukommen. Tools wie Google Drive, Dropbox und Google Docs ermöglichten es, gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten und damit eine Einigung zu fördern.

Niederschwellige Streitbeilegung auf Facebook

Seit Jahren arbeitet Facebook mit Sozialwissenschaftlern zusammen, um Möglichkeiten der Streitbeilegung in den Cyberspace einzubringen. Es wurden Tools für Benutzer erarbeitet, mit denen sie Streitigkeiten über verstörende Beiträge regeln können.
In speziellen Vorlagen können Benutzer erklären, was sie an bestimmten Beiträgen ablehnen, beispielsweise „It’s embarrassing” oder „It’s a bad photo of me”. Die Nutzer werden zudem gebeten anzugeben, welche Gefühle der anstößige Beitrag bei ihnen auslöst und wie stark sie diese Emotionen empfinden.
„Facebook should be commended for attempting to find new ways to bring proven dispute resolution practices to our increasingly contentious online world”, schreibt Katherine Shonk im aktuellen Negotiation Briefings Newsletter der Harvard Law School (Program on Negotiation).

Quellen: Katherine Shonk, „Dispute Resolution on Facebook: Using a Negotiation Approach to Resolve a Conflict – PON – Program on Negotiation at Harvard Law School“, veröffentlicht 17.1.2023; PON-Staff, „Negotiation Research You Can Use: Moving from In-Person to Online Mediation – PON – Program on Negotiation at Harvard Law School“, 6.1.2022; Online-Portal „Recht ohne Streit“, www.rechtohnestreit.de (Testversion), aufgerufen am 29.01.2023.